Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
gesagt? Dass er sie geschubst hat?«
Yumi nickt und schaut finster.
»Das hat er nicht. Er hat Angst. Es gibt einige belastende Beweismittel gegen ihn, aber er hat sie nicht gestoßen. Lass mich zu Matt fahren und dann mit Seth reden, damit er sich der Polizei stellt.«
»Rei, du darfst in diese Geschichte
nicht
verwickelt werden«, fleht Yumi ihn an. »Das ist eine Sache zwischen Seth und der Polizei.«
»Dad«, Rei dreht sich zu seinem Vater. »Kann ich mir das Auto leihen?«
»Oh nein, das kannst du nicht!«, platzt Yumi heraus.
Robert nimmt die Zeitung wieder auf, sodass sein Gesicht dahinter verborgen ist. »Tut mir leid. Rede mit deiner Mutter.«
Das kann die ganze Nacht so gehen. Ich gehe rauf, sammle all meine Energie und schalte den Computer an. Reis Tonfall ist ruhig und eindringlich. Yumis Stimme ist laut und abweisend und Robert ist einfach still. Als Rei nach oben kommt, habe ich ihm schon eine Nachricht geschrieben.
Ich kann ihn finden, sobald wir in New York sind.
Rei sieht aus, als würde er gleich platzen. Er zieht einen Seesack aus seinem Schrank und stopft ein paar Anziehsachen hinein. Dann geht er ins Badezimmer. Als er gepackt hat, liest er meine Nachricht und nickt. Dann fährt er den Computer runter.
Als er die Treppe wieder heruntergegangen ist, bleibt er stehen und sieht Yumi direkt in die Augen. »Ich nehme das Auto«, sagt er ganz ruhig. »Wenn du es als gestohlen melden willst, bitte. Ich habe mein Handy dabei und bin wahrscheinlich morgen früh zurück.«
Jetzt sieht Yumi aus, als würde sie gleich explodieren. »Robert Reiki Ellis! Du kommst sofort zurück!«
Rei reagiert nicht. Er geht hinaus in die Dunkelheit, durch den Garten, öffnet die Autotür und wirft seinen Seesack auf den Rücksitz. »Tschüs Mum. Ich hab dich lieb«, ruft er, bevor er die Tür schließt. Ich drücke mich durch die Beifahrertür und beobachte, wie er aus der Einfahrt setzt.
In der ersten halben Stunde sieht er mindestens hundert Mal in den Rückspiegel. Als wir über die Brücke bei Chimney Point fahren, kapiert er endlich, dass Yumi nicht die Polizei gerufen hat. Aber er dreht nicht die Musik auf. Und er spricht nicht – nur als er den Mann an der Tankstelle nach dem Schlüssel für die Toilette fragt, macht er eine Ausnahme.
Langsam wird er müde. In der Tankstelle holt er sich einen schwarzen Kaffee und verzieht angewidert das Gesicht, als er ihn trinkt.
Während Rei in der Tankstelle ist, hat es zu regnen begonnen. Ein starker Regen, der wie eine Wand von der Seite kommt. Rei rennt zum Auto. Ich warte im Wagen auf ihn.
»Der Kaffee ist miserabel«, informiert er mich.
Ich stimme zu. Wenn ich nicht eine Menge Sahne und fünf Päckchen Zucker bekomme, kann ich nichts mit Kaffee anfangen.
»Wir sollten in einer guten Stunde ankommen, aber wegen des Regens müssen wir langsamer fahren.« Er sieht genervt aus dem Fenster. »Das ist genau, was Seth jetzt braucht – als hätte er nicht schon genug Ärger. Kannst du noch einmal nach ihm schauen?«
Ich nicke und bin weg, bevor er den Zündschlüssel umdrehen kann.
Doch ich muss feststellen, dass ich Seth verloren habe. Wirklich, ich kann ihn nirgends finden. Ich habe mich auf sein schnell vibrierendes Energiemuster konzentriert und bin ihm bis zu ein paar Strommasten gefolgt, die sich entlang eines unkrautbewachsenen Hügels auf einer freien Fläche zwischen zwei Pinienwäldern hindurchziehen. Hier verschmilzt sein Signal mit anderen Geräuschen zu einem eintönigen, elektrischen Rauschen und wird eins mit dem wogenden Sirren der Spannung, die durch die dicken Drähte fließt, und dem Tröpfeln des Nieselregens.
Als ich ins Auto zurückkomme, ist die Fensterscheibe leichtbeschlagen. Ich könnte es nutzen, um etwas zu schreiben oder Rei zu beruhigen. Dann könnte ich später noch einmal versuchen, Seth zu finden.
»Geht es ihm gut?«
Ich nicke, ohne ihn anzusehen. Manchmal hasse ich mich. Rei schaltet das Radio an, und auf der Classic-Rock-Radiostation, die Robert so sehr mag, ist nur noch ein Rauschen zu hören. Rei bewegt den Knopf hin und her, bis er etwas halbwegs Erträgliches findet, und dreht die Lautstärke so weit herunter, dass er sein Handy noch hören kann.
»Noch drei Ausfahrten.« Reis Stimmung verbessert sich. »Er müsste eigentlich gleich anrufen.« Ich signalisiere ihm, dass ich gehe, und winke.
Seths Signal endet wieder bei den Hochspannungsmasten, aber wenigstens hat es aufgehört zu regnen. Ich sehe nach links und
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