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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Tochter eines der liberalsten Wirtschaftsberater des Präsidenten. Sogar Suworins Kleider stammten aus Amerika – das Hemd mit Buttondown-Kragen, die gestreifte Krawatte, das braune Sportjackett –, jedes Stück ein Vermächtnis aus seiner Zeit als KGB-Chef bei der Botschaft in Washington.
    Schaut euch nur Felix Stepanowitsch an, stand den Leuten deutlich in den Gesichtern geschrieben, während sie ihre Wintermäntel anzogen und an ihm vorbeieilten, um die Busse nach Hause nicht zu verpassen. Er war die Nummer zwei nach diesem fetten Oldtimer Arsenjew und dazu ausersehen, im Alter von achtunddreißig Jahren ein ganzes Direktorat zu übernehmen. Und zwar nicht irgendein Direktorat – sondern das RT, eines der allergeheimsten, dazu ermächtigt, auf russischem Boden Auslandsspionage zu betreiben. Schaut ihn euch an, den kommenden Mann, wie er da zum Arbeiten in sein Büro eilt, während wir uns für die Nacht auf die Heimfahrt machen…
    »Gute Nacht, Felix Stepanowitsch!«
    »Bis morgen, Felix!«
    »Ich sehe, Sie machen wieder Überstunden, Genosse Major!« Suworin deutete ein Lächeln an, nickte, wedelte – vollauf mit seinen Gedanken beschäftigt – mit seiner Pfeife.
    Die Einzelheiten waren, Nettos Bericht zufolge, kümmerlich, aber vielsagend. Fluke Kelso war um fünfzehn Uhr sieben aus Mamantows Wohnung getreten. Ein paar Minuten später hatte Suworin den Schauplatz verlassen. Um fünfzehn Uhr zweiundzwanzig wurde auch Ludmilla Fjodorowa Mamantowa beim Verlassen der Wohnung beobachtet, die sich zu ihrem üblichen Nachmittagsspaziergang im Repin-Park aufmachte, und zwar in Begleitung des Leibwächters Viktor Bubka (in Anbetracht ihres verwirrten Zustands mußte sie immer begleitet werden). Da nur noch ein Mann vor dem Haus Dienst tat, wurden sie nicht beschattet.
    Sie kehrten nicht zurück.
    Kurz nach siebzehn Uhr hatte ein Mann in der Wohnung unter der von Mamantow anhaltende hysterische Schreie gemeldet. Der Portier war geholt und die Wohnung wenn auch unter Schwierigkeiten – geöffnet worden. Frau Mamantowa war allein in der Wohnung. Man hatte sie, nur mit Unterwäsche bekleidet, in einem Schrank eingeschlossen, durch dessen Tür sie mit den bloßen Füßen ein Loch getreten hatte. Sie war in einer sehr üblen Verfassung in die Diplomatische Poliklinik gebracht worden. Beide Knöchel waren gebrochen.
    »Das muß ein Fluchtplan für den Notfall gewesen sein«, sagte Suworin, als sie sein Büro erreicht hatten. »Ganz offensichtlich hatte er den schon eine ganze Weile in petto, bis hin zum regelmäßigen Spaziergang seiner Frau. Die Frage ist jetzt: Worin bestand der Notfall?«
    Er drückte auf den Lichtschalter. Neonleuchten flackerten auf. Vom Flügel des Gebäudes aus, wo sich die Führungsebene befand, hatte man einen Blick auf den See und die Bäume, aber Suworins Büro ging nach Norden. Von hier aus konnte man nur die nach Moskau hineinführende Ringstraße und die massigen Hochhäuser einer Wohnanlage sehen, wo es von Menschen wimmelte. Suworin ließ sich auf den Stuhl sinken, griff nach seinem Tabaksbeutel und schwang die Füße auf die Fensterbank. Er sah das Spiegelbild von Netto, der hinter ihm hereinkam und dann die Tür zumachte. Arsenjew hatte Netto eine Standpauke gehalten, was wirklich nicht ganz fair war. Wenn überhaupt jemand einen Tadel verdient hatte, dann war es Suworin, weil er Bunin auf Kelso angesetzt hatte.
    »Wie viele Leute haben wir im Augenblick bei Mamantows Wohnung?«
    »Zwei, Major.«
    »Die sollen sich aufteilen. Ein Mann in die Poliklinik, um die Frau im Auge zu behalten. Bunin bleibt an Kelso dran. In welchem Hotel wohnt er?«
    »Im Ukraina.«
    »Da er auf dem Gartenring in südlicher Richtung unterwegs ist, kehrt er in sein Hotel zurück. Rufen Sie Gromow im Sechzehnten an, und sagen Sie ihm, wir wollen eine vollständige Kommunikationsüberwachung von Kelso. Er wird Ihnen sagen, daß er nicht über die erforderlichen Mittel verfügt. Verweisen Sie ihn an Arsenjew. Ich möchte die schriftliche Abhörgenehmigung in einer Viertelstunde auf meinem Schreibtisch haben.«
    »Ja, Major.«
    »Das Zehnte überlassen Sie mir.«
    »Das Zehnte, Major?« Das Zehnte war die Archivabteilung.
    »Dem Oberst zufolge gibt es eine Akte über dieses Notizbuch von Stalin. Er hat von einer ›Legende der Lubjanka‹ gesprochen. Ich muß mir irgendeinen Vorwand einfallen lassen, um sie einsehen zu können. Stellen Sie fest, was es mit diesem Haus in der Wspolny-Straße auf sich hat. Verdammt,

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