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Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)

Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)

Titel: Aurora Komplott (Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stan Carry
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betäuben, war oft im Rinnstein aufgewacht und wieder nüchtern
geworden. Aber die Stadt hatte er dabei nicht kennengelernt. In Wiesbaden, ja,
da kannte er sich aus, kannte jeden Schleichweg, kannte jede Bodenwelle, die
ihm hier in Kiel jedes Mal schmerzhaft in die Bandscheiben fuhr und ihn
mahnten, dass die Stoßdämpfer seines Wagens unbedingt erneuert werden mussten.
Ein Blick auf die Uhr im Armaturenbrett beruhigte ihn, beeilen musste er sich
nicht, er war noch gut in der Zeit.
    Langsam lenkte Hanson seinen Wagen in die
Goethestraße und suchte die Hausnummer, die Semskew bei der Angabe seiner
Personalien genannt hatte. Auf dem buckligen Kopfsteinpflaster klapperte sein
Wagen, als wollte er sich zerlegen. Die Wohnhäuser waren öd, nur auf
Funktionalität ausgerichtet und auf das Einfache zurückgeführt. Ein Haus mit
einer bröckelnden Fassade, deren kläglicher Fassadenrest über und über mit
Graffiti besprüht war, trug die Hausnummer, die er suchte. Nicht die feinste
Wohngegend, dachte Hanson, eher multiethnisch und vielsprachig gemischt. Hanson
erkannte Gesichtszüge mit hohen slawischen Wangenknochen aber auch Passanten
mit mahagonifarbenen Gesichtern und dunklem Teint. Wie es schien waren russische
Spätaussiedler und südländische Asylanten hier einquartiert worden. Das
Wohnhaus von Semskew hatte Hanson gefunden, die Suche nach einem Parkplatz,
fürchtete er, würde sich schwieriger gestalten. Beide Straßenseiten waren
dichtgeparkt, teilweise mit noblen und großen Karossen. Seltsam, wunderte sich
Hanson, warum geben die Leute ihr weniges Geld nur für protzige Autos aus?
Musste aber sogleich akzeptieren, dass der fahrbare Untersatz eben doch das
Statussymbol kleiner Geister war. Rechts vor ihm blinkte es. Tatsächlich ein
großer Opel reihte sich in den Verkehrstrom ein. Hanson hatte seinen Parkplatz
gefunden. Rückwärts mit hüstelndem Motor parkte er den alten Blechzossen in die
Lücke ein und kam mit ihm zur Hälfte auf dem Gehsteig zum Stehen. Dann sah er
das Parkverbotszeichen. Ist egal, dachte er, kraft seines Amtes würde er eine
Anzeige wirkungslos werden lassen. Hanson stieg aus.
    Im Treppenhaus wurde von Etage zu Etage der
Lärmpegel, eine Mischung von Kinderlachen und –weinen, lauter und lauter. Auf
der letzten Etage klingelte Hanson an der Wohnungstür. Mit dem Schellen kehrte
schlagartig Ruhe hinter der Tür ein. Ein fettleibiges Mütterchen öffnete die
Tür, hinter ihr reckte eine Kinderschar neugierig ihre Hälse. Am Ende des
langen Flures stand der Dolmetscher, noch zarter und kleiner, als Hanson ihn in
Erinnerung hatte. Beinahe schien es so, als nährte der Russe mit seiner eigenen
Substanz die gesamte Familie.
    Die Übersetzung des mitgeschnittenen Telefonats
brachte für Hanson nichts Überraschendes, alles was Schukow im Vorfeld mit
Hanson besprochen hatte, hatte er auch seiner Frau erzählt.

Kapitel 47
     
    Berlin, Nicolaiviertel, Donnerstag, 01.06.1995,
23.50 Uhr
     
    Die Autofahrt nach Berlin hatte Hanson
geschlaucht. Hier hing der Himmel an diesem Abend besonders tief, die dunklen
Wolken waren zum Greifen nah. Nicht ein Windhauch, der sich rührte.
Stattdessen: Schwüle. Ein Wetter schien sich zusammenzubrauen. Es roch nach
Regen. Im Nicolaiviertel breitete die Nacht ihre ersten Schleier aus. Die
pittoresken Fassaden des Viertels wurden karg, die verspielten Formen wandelten
sich ins Bizarre und verloren sich in der Dämmerung. Die Fassadenfarben
leuchteten nicht mehr, wirkten wie ausgelaugt und wurden langsam grau und
grauer. Eben noch schien die Spree wie eingeschlafen, glatt wie ein Spiegel, in
dem sich die Lichter der Häuser des anderen Ufers in die Tiefe verdoppelten.
Der weiße Ausflugsdampfer an der Pier begann leicht zu schaukeln. Die Trossen,
die ihn an der Kaje hielten, ächzten. Jetzt pfiffen plötzlich Sturmböen über
das Wasser und durch die schmalen Gassen. Das Pfeifen des Sturmes, das Ächzen
der Trossen und das Knarren der Bordwand an den Dalben vermengte sich mit einem
Dutzend anderer Geräusche, als spiele ein A-Capella-Chor auf. Der Sturm ließ
die Lampen der Straßenbeleuchtung schaukeln. Selbst die trutzigen Hausdächer am
jenseitigen Spreeufer schienen sich zu ducken.
    Hanson fühlte Schukows Taschenuhr in seiner
Trenchcoattasche. Das alte Erbstück in den Schoß der Familie des Obersten
zurückzugeben, war ein wesentlicher Bestandteil des Tauschgeschäftes.
    Das diffuse Licht des schwindenden Tages, die
schwankenden Straßenlaternen, deren trübes

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