Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Intuitiv
musterte Hanson mit scharfem Blick nochmals die Zeitungen vor dem Kiosk und die
Fahnenmasten auf den Bildern, ohne dass er seine verlorenen Gedanken wieder
einfangen konnte.
Jetzt nur nicht reden, dachte Hanson, nur den
Augenblick genießen, versuchte er sich einzureden. Ein seichter Luftzug trug
den Duft ihrer Haare zu ihm. Er sog ihn mit einem tiefen Atemzug durch die Nase
ein und war seltsam gerührt. Ihre Blicke trafen sich, spürbar wie eine
zärtliche Berührung. Auch Rebecca erfreute sich an den warmen Sonnenstrahlen
des heraufziehenden Sommers. Ihm war es aber nicht vergönnt, die Situation zu
genießen. Ihn irritierte es, sich an seine Eingebung nicht mehr zu erinnern.
Irgendetwas narrte seine Rückerinnerung. War es Rebecca, die ihn abgelenkt
hatte? Es quälte ihn, sich nicht zu entsinnen. So sehr er sich auch mühte, er
konnte sich partout nichts ins Gedächtnis zurück rufen.
Aus irgendeinem Grunde schien der letzte Gedanke
doch wichtig zu sein. Das Interesse kam nicht von ungefähr, sein Jagdinstinkt
ließ ihn in sich hineinhorchen und signalisierte ihm:
Sei achtsam, geh rückwärts, wenn es vorwärts
nicht klappt, zurück zum Ausgangspunkt der Intuition. Aber wo war der verdammte
Ausgangspunkt? Hanson wusste es nicht mehr. Es war schon desillusionierend,
dass Rebeccas Anwesenheit, ihre Umarmung, ihr Kuss und ihr Biss ihn dermaßen
durcheinander bringen konnten. Er, der mit allen Wassern gewaschene
Kriminalhauptkommissar, kam sich vor, als schlüge in seiner Brust das Herz
eines verliebten Pennälers. Aber er war glücklich, nur das zählte in diesem
Augenblick, das war ihm wichtig, ja wichtiger als diese verdammte, bereits
wieder vergessene Eingebung
Nochmals trafen sich schweigend ihre Blicke. Es
war ein Schweigen, in dem sie sich ihrer Nähe bewusst waren. Beide genossen es
und schlenderten eingehakt gemächlichen Schrittes dem immer größer werdenden
Ausflugsstrom entgegen. Ganz Kiel schien auf den Beinen, als wollten alle die
ersten warmen Sonnenstrahlen dieses Jahres einfangen.
Sie hörten Stimmen, Wortfragmente, entferntes
Hundegebell wurde durch helles Kinderlachen übertönt. Es überholte sie ein
Rollerblader, gefolgt von einem bellenden Hund. Ein anderer, größerer Hund
antwortete aggressiv. Dann scheuchten sich die balgenden Straßenköter hin und
her. Ihr Gekläff klang immer grimmiger. Bald würden sie sich ineinander
verbissen haben, wenn nicht irgendein Herrchen dazwischen gehen würde. Schon
hörte Hanson von hinten eine schnelle Schrittfolge sich nähern, die immer
deutlicher in ein Laufen überging. Rebecca und er gingen einen Schritt zur
Seite. Ein junger Mann hetzte an ihnen vorbei und stürzte, bevor er das Knäuel
der in sich verbissenen Hunde erreicht hatte. Beide Knie und die Stirn hatte er
sich aufgeschlagen Er war über einen Gullydeckel gestolpert, der wenige
Zentimeter aus der Pflasterung herausragte.
Diese Szene, eine Schlüsselszene, legte in
Hanson einen kaskadenartigen Gedankenschwall frei, der zig Fragen aufwirbelte.
Der Gullydeckel aus Dr. Beyers Kofferraum, hatte der nicht das gleiche
geflochtene Emblem wie eines der Banner inmitten des Medaillons auf den beiden
Familienfotos der Zeitungen? Wenn ja, deuteten die identischen Embleme nicht
auf ein und denselben Ort hin? Wo lag der Ort? Ließen sich die
Stadtplanausschnitte aus Dr. Beyers Chalet eventuell diesem Ort zuordnen? Was
für ein Geheimnis barg der Gullydeckel aus dem Fahrzeug des Staatssekretärs?
Lag Voß mit seiner Vermutung richtig? Diente der Deckel tatsächlich im Winter
nur der größeren Straßenhaftung für die Antriebsräder seines Autos? Fragen über
Fragen und nicht eine plausible Antwort. Nichts, aber auch gar nichts schien
sich zu fügen. Aber die entscheidenden Fragen waren gestellt und das beflügelte
ihn. Jetzt glaubte Hanson, die losen Schnüre zu einer Beantwortung des Warums
in seinen Händen zu halten. Eine logische Verknüpfung der losen Fadenenden
schien nahe. Hansons Atemfrequenz erhöhte sich. Sein Verstand raste,
überflutete seine Sinne. Die Gedanken kreisten um den Kanaldeckel aus Beyers
Kofferraum und der Flagge mit dem Seemannsknoten auf dem Familienfoto der
Politiker. Alle Puzzleteile liegen nun auf dem Tisch und müssen nur an den
richtigen Platz geschoben werden, wähnte er. Langsam formte sich in ihm ein
Bild, ein schreckliches Bild. Eine finstere Bestürzung beschlich ihn. Schaurige
Bilder fraßen sich in seinen Verstand. Jetzt hatte er die losen
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