Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
drücken.
„Halt“.
Hanson erschrak und schaute seine Kollegin
fragend an. Sie hatte sich schon die Schachtel geangelt und öffnete sie. Heraus
purzelten die Tennisbälle und rollten in alle Himmelsrichtungen durch den
Unkleideraum davon. Doch dann schwebte langsam ein hauchdünnes,
handtellergroßes Blatt Papier zu Boden. Verwundert schaute Hanson dem Papier
hinterher und konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren. Seine Kollegin hatte es
schon aufgehoben und überreichte es ihm mit einer Geste des Triumphes.
Hanson schaute auf das Papierschnitzel, dann
Frau Menzel fragend an und wieder auf das Papier in seiner Hand. Mit den
Zahlenreihen, die dort notiert waren, konnte er nichts anfangen. Die Rückseite
des Papiers war leer. Er drehte den Zettel wieder und zählte die sieben Reihen
der Zahlenkolonnen. Die einzelnen Ziffern waren zu klein gedruckt, als das er
sie lesen konnte. Erst mit der Hilfe seiner Brille konnte er die Zahlenkolonnen
lesen.
„Komisch, sehr seltsam. Vielleicht ist das ein
Zahlencode“, hörte Hanson neben sich.
Kapitel 17
Kiel, Montag, 03.04.1995, 09.15 Uhr
Als die letzten Schlussakkorde von Verdis
Requiem verklungen waren, vernahmen alle den Hagelschauer, der von einem
eiskalten Nordost in plötzlichen Böen gegen die verbleiten Mosaikfenster der
Friedhofskapelle gepeitscht wurde. Bis eben noch säuselte der Wind von der
Förde dem heutigen Anlass angemessen wehklagend um die kleine Kapelle.
Die Särge von Bachner und Rütter waren überhäuft
von einem Meer aus Blumen und Kränzen. Die gesamte Kieler Polizei schien
versammelt. Alle in grünem Tuch der Ersten Garnitur, geschniegelt und gelackt,
sie wollten den beiden toten Kollegen ihren letzten Respekt bekunden. Wolff
selbst hatte seine Galauniform angelegt. In vollem Wichs, wie aus dem Ei
gepellt, erhob er sich und schritt würdevoll zu den beiden Särgen. Er senkte sein
weißes Haupt und gedachte still mit zum Gebet gefalteten Händen der beiden
toten Kollegen. Von der Empore der Kapelle war kaum wahrnehmbares
Papierrascheln zu hören. Das Polizeiorchester blätterte in den Notenheften nach
der nächsten Intonierung.
Wolff hatte das Stehpult erreicht. Ein Räuspern,
viel zu laut, brandete durch die dichtgedrängten Trauergäste in der Kapelle.
Erschrocken und fahrig pegelte der Organist die Lautstärke der
Übertragungsanlage ein. Dröhnend erhob Wolff seine Stimme, als drohe er dem
Mörder die ewige Verdammnis persönlich an, sprach den Hinterbliebenen beider
Familien im Namen der Kieler Polizei das Beileid aus, ließ kurz den beruflichen
Werdegang und die Biografie der beiden Kriminalbeamten Revue passieren und
verstand es meisterhaft, einen Kausalzusammenhang zwischen dem hinterhältigen
Mord an Bachner und dem Verkehrunfall, dem Rütter zum Opfer fiel, zu knüpfen.
Die belastende Schuld, die nach dem Wildunfall
manchmal sporadisch in ihm hochkroch, drückte mit einem Mal weniger schwer auf
Hansons Psyche. Es machte ihn verlegen. Er wandte seinen Blick von Wolff ab den
beiden Särgen zu. Dann schloss er die Augen und lauschte Wolffs einfühlsamer
Trauerrede. Sie war bewegend und anrührend.
Hansons Gedanken glitten anderthalb Monate zurück.
Zurück zum Mord an dem Staatssekretär, an die Spurenlage und an die
Liquidierung des jungen Kollegen. Sein Rückblick kreiste um die toten Kollegen
und um die Lieferung der Nukleartechnik in die arabische Region. Auch die
Parallelen zu der Ermordung des kanadischen Kanonenbauers mit den Kieler Morden
musste mit ins Kalkül gezogen und durfte nicht vergessen werden. Lagen die
Motive der Morde in der existenziellen Bedrohung des israelischen Staates?
Wurden dort die Taten geplant und in Auftrag gegeben? Sicher, das gelieferte
Equipment zum Bombenbau als auch die Superkanone, waren ein starkes Motiv für
Israel, nach den alttestamentarischen Rachegrundsätzen “Wie du mir, so ich dir“
zu handeln. Hatte der Mossad das konspirativ arbeitende Beschaffungskartell der
atomaren Schwellenländer im Nahen Osten zerschlagen wollen und den
Staatssekretär umgelegt oder liquidieren lassen? Stand der Staatssekretär
diesem illegalen Technologietransfer vor? Wollte er den Arabern Hilfe beim
Basteln von Atomwaffen leisten? Dem Mossad war alles zuzutrauen aber nie und
nimmer eine solche dilettantische Arbeit. Niemals würde dieser Dienst eine
solch üppige Spurenlage in den beiden Mordfällen zurücklassen. Wenn erst einmal
ein Hinweis auf den tatsächlichen Täter einging, Gerber würde
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