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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Ding denn schneiden?«
    Die Peitsche war jetzt so heiß, dass sie sie kaum noch
    halten konnte. »So ziemlich alles, was nicht aktiv verstärkt ist wie etwa Hyperdiamant.«

    »So etwas gibt es in diesem Gebäude nicht. Ich weiß das, ich habe die Pläne gesehen. Aber schneiden Sie lieber nicht einfach drauflos. Es gibt tragende Elemente, die quer durch den Turm führen.«
    »Dann nehmen wir zunächst etwas, das bestimmt nicht
    tragend ist.« Thalia dachte an das Objekt, gegen das sie sich gelehnt hatte, als Parnasse sie nach unten rief.
    »Nämlich?«
    »Gleich über mir im nächsten Stockwerk. Das Modell des
    Museums.«
    »Für unsere Barrikade brauchen wir schon etwas mehr,
    junge Frau. Das Modell hat etwa so viel Substanz wie eine Seifenblase.«
    »Ich dachte auch eher an den Sockel - sah aus wie Granit.
    Wenn wir den in Stücke zerschneiden, die wir tragen können ... das Ding muss drei oder vier Tonnen wiegen. Damit müsste sich doch etwas ausrichten lassen?«
    »Vielleicht nicht genug, um uns zu retten«, sagte er und kratzte sich am Kinn. »Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen, sagt man. Mal sehen, wie lange Ihr kleines Spielzeug durchhält.«
    Thalia befestigte die Hundepeitsche wieder am Gürtel
    und rieb sich die schmerzende Handfläche an der Hose. Sie ließ die Kolonne weiterarbeiten und stieg die Treppe hinauf.
    Parnasse folgte ihr.
    »Herrschaften«, rief sie, »kann mir bitte jemand helfen?
    Es dauert nur ein paar Minuten, dann können Sie sich wieder ausruhen.«
    »Was haben Sie vor?«, fragte der junge Mann im stahl-
    blauen Anzug und rieb sich den steifen Unterarm.
    Thalia trat an das Modell und strich über die durchsichtige Abdeckung. »Die müssen wir abheben, damit ich an den Sockel komme. Ich könnte sie mit meiner Hundepeitsche
    zerschneiden, aber die würde ich mir lieber für Material aufsparen, das wir nicht mit den Händen zerbrechen können.«

    Die kastenförmige Abdeckung wurde nur durch ihr Ge-
    wicht an Ort und Stelle gehalten. Thalia schob an einer Seite die Finger unter den Rand und zuckte zusammen, als sie an einem abgerissenen Nagel hängen blieb. Der junge Mann
    lasste auf der anderen Seite an, dann hoben sie den Kasten hoch, bis das zierliche Modell darunter frei lag, und schlurften mit kleinen Schritten seitwärts, bis sie ihn ungehindert auf dem Boden abstellen konnten. Was sie damit anfangen wollten, konnten sie sich später überlegen.
    »Jetzt den nächsten Teil«, sagte Thalia und packte die
    schwere Platte, auf der das eigentliche Modell stand. Doch um das Ganze in Bewegung zu bringen, musste ein Dritter mithelfen. Caillebot übernahm eine der Ecken. Die Minia-turversion des Museums mochte selbst wenig Substanz
    haben, aber von ihrem Fundament konnte man das nicht
    behaupten. »Mehr«, ächzte Thalia, und auch Parnasse griff mit zu.
    Die Platte rutschte ein Stück weiter und kippte nach oben.
    »Vorsichtig«, knirschte Thalia mit zusammengebissenen
    Zähnen. »Wir stellen sie da hinüber, oben auf die Abde-
    ckung.«
    Sie hatte sich an der Zerstörung von mehreren Tonnen
    Museumseigentum beteiligt, darunter einigen Überresten
    aus der Geschichte der Informatik, die womöglich unersetzlich waren. Aber etwas an diesem Modell ließ sie zögern.
    Sie wollte es bewahren, vielleicht, weil es den Eindruck machte, mühsam in Hunderten von Stunden von Hand gefertigt worden zu sein. »Sachte«, sagte sie, als sie den durchsichtigen Kasten erreichten.
    Sie hatten es fast geschafft, als der junge Mann mit einem Aufschrei losließ. Ein Nerv oder Muskel in seinem ohnehin schon überanstrengten Unterarm hatte nachgegeben. Die
    anderen drei hätten das Gewicht vielleicht noch halten können, aber sie standen nicht günstig. Die Platte rutschte seitlich weg und durchschlug mit einer Ecke die Abdeckung.

    Der Aufprall war so heftig, dass sich die Kugel des Votenprozessors löste und von der Turmspitze rollte. Der silber-weiße Ball hüpfte über die schiefe Landschaft, trudelte durch den Raum und verschwand in der Dunkelheit.
    Thalia sank zu Boden und landete hart auf den Knien.
    »Es tut mir leid«, sagte der junge Mann.
    Sie unterdrückte die Schmerzenstränen. »Es ist nur ein
    Modell. Der Sockel ist das, worauf es ankommt.«
    »Mal sehen, wie der Granit sich verhält«, sagte Parnasse und half Thalia beim Aufstehen.
    Sie humpelte zum Sockel zurück, doch als sie nach ihrer Hundepeitsche griff, wäre sie fast zurückgezuckt. Das Ding war so glühend heiß, als käme es frisch aus

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