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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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gemacht, und es sah nicht danach aus, als hätte Crissels Ankunft den Terminplan merklich beeinflusse Die Bau-Servomaten hatten unermüdlich Gebäude,
    Straßen und Brücken eingerissen, die einst für die menschliche Bevölkerung des Habitats errichtet worden waren. Als Aubussons Nacht der grauen Kühle des Morgens wich,
    schaute Thalia über eine verwüstete Landschaft. Der Turm des Votenprozessors war kilometerweit in jeder Richtung das einzige größere Bauwerk, das noch stand. Die umliegenden Gebäude waren nur noch Staub und Schutt, die
    Maschinen hatten alles entfernt, was die Produktionsanlagen verwerten konnten. Gras, Bäume und Wasser waren
    von grauem Staub bedeckt. Dieses kahle, trostlose Ödland ließ sich kaum mit ihren Erinnerungen an das Aubusson
    vereinbaren, das sie vor noch nicht einmal einem Tag empfangen hatte. Was sie da draußen sah, hätte die Folge eines jahrelangen Krieges sein können, aber nicht das Ergebnis von wenigen Arbeitsstunden einiger eifriger Maschinen.
    Crissels Ausbleiben war nicht das Einzige, was ihre
    Ängste schürte. Nachdem sie den Granitsockel vollends
    zerschnitten hatte, um neues Barrikadenmaterial zu be-
    kommen, hatte sie sich wieder ans Fenster gestellt. Nicht lange nach Crissels Anruf war einer der Bau-Servomaten

    dicht am Fuß des Turms vorbeigerollt. Es war einer der offenen Transporter gewesen, doch anstelle von Schutt hatte er eine andere, weit grausigere Ladung befördert. Der Laderaum war bis zum Rand voll gewesen mit menschlichen
    Leichen. Sie lagen in zehn oder gar zwanzig Schichten übereinander, Tausende allein in diesem Behälter, weggeworfen wie wertloser Abfall. Und sie waren tatsächlich nichts anderen, dachte Thalia. Die Maschine mit den Leichen fuhr in die gleiche Richtung wie alle anderen. Sie beförderte Rohmaterial zu den Produktionsanlagen. Die Toten würden zer-kleinert, aufbereitet und wiederverwendet werden. Selbst wenn ihr Fleisch nicht zu gebrauchen war, so konnte man doch aus den demarchistischen Implantaten in ihren Schä-
    deln wertvolle Metalle, Halbleiter, Supraleiter und organische Verbindungen gewinnen.
    bis dahin hatte sie noch geglaubt, die Maschinen wollten nur ein totalitäres Regime errichten. Als sie gesehen hatte, wie die erste Leiche in den Zierteich geworfen wurde, hatte sie sich damit beruhigt, dass es sich wohl um einen Menschen handelte, der den Gehorsam verweigert hatte. Jetzt wurde ihr klar, dass die Servomaten systematischen Massenmord betrieben. Sie hatten die Bürger, die sie draußen umzingelt und vor einer angeblichen Gefahr gewarnt hatten. nicht etwa zusammengetrieben, um sie leichter überwachen, leichter einschüchtern zu können. Die Absicht war vielmehr, sie zu euthanasieren und an die Produktionsanlagen zu verfüttern.
    Thalia konnte nicht wissen, wie viele der achthundert-
    tausend Bürger in Haus Aubusson von diesem Schicksal er-eilt worden waren. Aber sie nahm an, dass nur wenige mit dem Leben davongekommen waren. Die Servomaten hatten erschreckend schnell die Herrschaft übernommen, und die ahnungslosen Gendarmen hatten ihnen geholfen, indem sie den Menschen rieten, Ruhe zu bewahren und Lucas
    Thesigers Anweisungen zu folgen. Dabei mochte Thesiger

    durchaus einer dieser achtlos übereinander geworfenen
    Leichen sein.
    Thalia wusste jetzt, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Es gab nur eine Erklärung dafür, dass die Maschinen ihren
    Turm noch nicht eingerissen hatten: Sie durften den Votenprozessor nicht beschädigen. Aber irgendwann würden sie einen Weg finden. Welche Intelligenz sie auch steuerte, sie war klüger als jeder einzelne Servomat. Und diese Intelligenz wusste alles über sie und ihre kleine Gruppe von Überlebenden, davon war Thalia überzeugt. Sicher arbeitete sie bereits an einem Plan, um auch sie zu töten. Wenn die Maschinen es nicht schafften, die Barrikade zu durchbrechen (und Thalia hatte wenig Hoffnung, dass die noch sehr viel länger standhalten konnte), würden sie andere Methoden
    erkunden. Thalia hatte ein Druckmittel, sie konnte den Prozessor zerstören oder zumindest lahmlegen. Aber wenn sie diese Karte ausspielte und die Maschinen dennoch weiter vorrückten, hätte sie nichts mehr zu bieten.
    »Sie werden lauter«, sagte Parnasse leise und trat zu ihr an das runde Fensterchen.
    »Wer, Cyrus?«
    »Die Maschinen auf der anderen Seite. Sie bauen die Barrikade Stück für Stück ab und arbeiten sich dabei immer weiter nach oben vor. Ich schätze, uns trennen nicht viel mehr als

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