Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
pumpte noch. Die Überreste des kopflosen Kör-
    pers und des beschädigten Parasiten waren hinter dem
    Schleier bald nicht mehr zu sehen.

    Demikoffs Blick huschte in die obere Hälfte. Die Zeit
    lief schneller. Der langsam treibende Kopf taumelte jetzt schwerfällig durch den Raum. Auch er verströmte Blut, aber mit weitaus geringerem Druck.
    Servomaten stürmten so schnell in beide Räume, dass
    das Auge kaum zu folgen vermochte. Sobald die Roboter
    den Skarabäus erreichten, trennten sie ihn vom Hals und umgaben ihn mit einem splittersicheren Kokon aus Aktivmaterie. In der oberen Hälfte hatten Maschinen den Kopf eingefangen und über der Platte aus blanken Klingen zum Stillstand gebracht.
    »Skarabäus neutralisiert«, meldete einer von Demikoffs
    Analysten. »Wiederhole. Skarabäus neutralisiert. Oberer Raum für Notfallteam frei.«
    »Los«, rief Demikoff mit aller Energie, die er aufbringen konnte.
    Und dann setzte auch er sich in Bewegung und rannte,
    als ginge es um sein eigenes Leben.
    Er traf kaum später ein als das Chirurgenteam. Die Servomaten hatten den Kopf mit Teleskop-Manipulatoren umfasst und hielten ihn vorsichtig fest. Man hatte überlegt, ihn einfach in ein Fass mit medizinischer Aktivmaterie
    zu tauchen, aber Demikoff hatte der Versuchung wider-
    standen. Die Aktivmaterie hätte das Gehirn geflutet, um die Neuralstruktur zu erhalten und damit den Kopf zweifellos stabilisiert, außerdem hätte sie sofort mit der erforderlichen Reparatur des beschädigten Gewebes be-
    gonnen. Der Nachteil war, dass sie wahrscheinlich das
    Kurzzeitgedächtnis gelöscht und die Wiederherstellung
    des vollen Bewusstseins um viele Tage verzögert hätte.
    Demikoff hatte die Frage von allen Seiten betrachtet und sich schließlich auf sein mühsam erworbenes klinisches
    Urteilsvermögen, das Zusammenwirken von Auge und Er-
    fahrung verlassen, das sich gegen diese einfache Option aussprach.

    Nun wollte er sich den Kopf nur anschauen, um die Prä-
    zision des Schnitts und die Schäden an den größeren Strukturen zu bewerten. Er sah sofort, dass die Klingen die Halswirbelsäule zwischen C3 und C4 glatt durchtrennt hatten, wie er es immer gehofft hatte. Der Schnitt war so exakt gewesen, dass nur die Bandscheibe zwischen den Wirbel-knochen zerstört worden war. Die Halsschlagader, die inneren und äußeren Halsvenen und der Vagus waren weniger
    als einen Millimeter neben den optimalen Punkten durch-
    trennt worden. Bei einer Simulation hätte Demikoff das
    Bild als allzu optimistisch und damit unrealistisch bezeichnet. Doch dies war die Realität. Zulu - zumindest in dieser Phase - war so gut gelaufen, wie man es sich nur erträumen konnte.
    Dann sah er in das Gesicht. Er wollte es nicht. Ob in Jane Aumoniers Augen noch irgendwelche Spuren von Bewusstsein zu erkennen wären, war klinisch nicht von Bedeutung, und er hatte sich geschworen, nicht darauf zu achten. Aber nun konnte er nicht anders. Und da war tatsächlich etwas: eine Schärfe des Blicks, der Eindruck, sie sähe nur ihn an und sonst niemanden in diesem Raum und sei sich ihres
    Zustands erschreckend voll bewusst.
    Seit die Klingen zugebissen hatten, waren erst knapp
    zehn Sekunden vergangen.
    »Stabilisierung beginnen«, sagte Demikoff. »Plan Drei-
    Delta. Wir haben hier eine Menge zu tun.«
    Er wagte noch einen Blick in die Augen. Wo eben noch
    Bewusstsein gewesen war, herrschte jetzt verschwommene
    Leere.
    Sie flogen drei Stunden, bis sie Yellowstones Oberfläche erreichten. Der Kutter hätte die Strecke in einem Drittel der Zeit zurücklegen können, aber dann wäre er ungewöhnlich schnell gewesen und hätte riskiert, Auroras Aufmerksamkeit zu erregen. Dreyfus konnte nicht einschätzen, wie gründlich sie den Raum um den Planeten überwachte, aber wahrscheinlich würde sie auf alle Schiffe - ob zivil oder staatlich - achten, die aus dem Rahmen fielen. So sehr ihn die Ungeduld quälte, so sehr er das Ticken der Uhr in allen Knochen spürte, die langsame, unauffällige Annäherung
    war unverzichtbar.
    »Captain sagt, Sie sollen sich anschnallen«, erinnerte ihn Sparver, und Dreyfus legte das Notepad weg. »In etwa fünf Minuten bremsen wir zum Atmosphäreeintritt ab.«
    Dreyfus nickte knapp. »Melden Sie ihm, Sie hätten die
    Nachricht weitergegeben.«
    Sparver hatte sich mit einem Arm und einem Fuß einge-
    spreizt. »Sind Sie immer noch sauer, weil ich mich an Bord geschlichen habe?«
    »Was denken Sie denn?«
    »Jane hatte mir ihren Segen gegeben. Wer

Weitere Kostenlose Bücher