Aurora
Rakete auf die ganze Anlage abzufeuern brauchen. Stattdessen sind
mein Partner und ich zu Fuß hierher gekommen, um zu
verhandeln.«
»Das ist wahr«, sagte Sparver. »Uns geht es nur um den
Uhrmacher. Sie haben ihn so lange versteckt, weil Sie hofften, er könnte eines Tages nützlich sein. Und jetzt sage ich Ihnen etwas! Dieser Tag ist heute.«
»Über Aurora weiß ich eigentlich nicht viel«, antwor-
tete Saavedra. »Natürlich habe ich die Krise im Orbit
mitbekommen, den Verlust der Habitate, die Evakuierungsbemühungen. Aber ich habe immer noch keine klare Vor-
Stellung, wer hinter alledem steckt. Können Sie mich auf-klären?«
»Können wir Sie irgendwie dazu bringen, dieses Gewehr
anderswohin zu richten?«, fragte Dreyfus.
»Mal sehen, was Sie mir zu erzählen haben.«
Dreyfus holte tief Atem, um seine Nerven zu beruhigen,
und setzte zu einer längeren Rede an. »Wir glauben zu wissen, was es mit Aurora auf sich hat. Sie ist eine wild gewordene Alpha-Kopie; eine der ursprünglichen Achtzig. Anders als die anderen hat sie weder blockiert, noch hat sie sich in einer Endlosschleife verfangen. Sie hat nur diesen Anschein erweckt. In Wirklichkeit hat sie sich weiterentwickelt und ist stärker und schneller geworden.«
Saavedra verzog spöttisch die Lippen. »Und wo war sie in den letzten fünfzig Jahren oder wie viele seither vergangen sind?«
»Es sind fünfundfünfzig. Wir wissen nicht, wo sie die
ganze Zeit war, aber sie war meistens mit irgendwelchen Plänen beschäftigt. Diese Eroberungen sind erst der Anfang. Sie strebt die Alleinherrschaft über das Glitzerband an. Menschen sollen dort nicht mehr leben dürfen. Sie will es nur noch als riesige Infrastruktur für ihr unsterbliches Bewusstsein nützen.«
»Woher plötzlich dieser Anfall von Größenwahn, nach-
dem sie die ganze Zeit still und zufrieden vor unserer Nase gelebt hat?«
»Sie glaubt, wir werden dem Glitzerband etwas so Schlimmes antun, dass selbst eine hoch entwickelte Alpha-Intelligenz sich hier nicht mehr sicher fühlen kann.«
Wieder dieses Zucken um die Mundwinkel. »Was meinen
Sie mit >etwas Schlimmes«?«
»Im Grunde genommen traut sie uns nicht zu, die Infra-
struktur zu erhalten, die sie zum Überleben braucht, und will uns deshalb aus der Gleichung entfernen. Es geht ihr nicht um Macht, denn unter ihrem Regime wird niemand
mehr am Leben sein - höchstens eine Handvoll menschli-
cher Sklaven, um im Fall einer Panne die Servomaten zu
reparieren. Das ist Massenmord, Paula.«
»Und warum fürchtet sie den Uhrmacher?«
»Vermutlich, weil der Uhrmacher als einziges Wesen in
diesem System auch nur annähernd so intelligent ist wie sie. Womöglich übertrifft er sie sogar noch. Das heißt, er bedroht ihre Vorherrschaft. Deshalb muss sie ihn beseitigen.«
»Und das versuchte sie mit der Zerstörung von Ruskin-
Sartorius zu erreichen«, ergänzte Sparver. »Gaffney hat die Sache eingefädelt, aber Aurora hat von Anfang an die Fäden gezogen. Ihr Pech war nur, dass sie zu spät kam. Sie hatten Lunte gerochen, dass jemand es auf den Uhrmacher abgesehen hatte, und brachten ihn weg.«
»Nur schade, dass wegen dieser Fehlinformation neun-
hundertsechzig Menschen sterben mussten«, sagte Drey-
fus.
»Dass diese Menschen - die Bewohner der Ruskin-Sarto-
rius-Blase - starben, war nicht geplant«, sagte Saavedra.
»Dann bedauern Sie ihren Tod?«, fragte Dreyfus.
»Was denken Sie denn?«, fauchte sie. »Natürlich wäre
es uns lieber gewesen, das wäre nicht passiert. Wir dachten, wer immer da Interesse gezeigt hatte, hätte sich zu-rückgezogen. Die Verlegung war nur eine Vorsichtsmaß-
nahme. Mit solchen Folgen hätten wir niemals gerechnet.«
»Das nehme ich Ihnen sogar ab«, sagte Dreyfus.
»Das können Sie halten, wie Sie wollen.«
»Außerdem glaube ich, dass auch Anthony Theobald ein
Teil der Schuld trifft. Ihm muss klar gewesen sein, dass er das Leben seiner Angehörigen in Gefahr brachte, auch wenn er nicht genau wusste, wen er da bei sich aufgenommen hatte.«
»Das ging ihn nichts an. Es ging niemanden dort etwas an.
Und bis ganz zum Schluss hat es auch niemand erfahren.«
»Aber eine Person kam dem Geheimnis sehr nahe.«
Sie sah ihn scharf an. »Wen meinen Sie damit?«
»Delphine Ruskin-Sartorius. Die Tochter. Die Künstlerin in der Familie. Oder hatten Sie das gar nicht bemerkt?«
»Was denn?«
»Sie stand in Verbindung mit dem Uhrmacher. Es war ein
ziemlich einseitiger Dialog, aber dennoch
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