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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Anblick zusammen. Dabei hatte er schon Leichen gesehen, wenn auch nicht viele. Skelette waren es noch weniger. Aber der Schock legte sich rasch, als er sah, dass es nicht das Gerippe eines erst kürzlich Verstorbenen sein konnte. Das Fleisch war bis auf ein paar grau-schwarze Fetzen hier und dort zum größten Teil verwest. Die Knochen waren, soweit sie nicht zerfallen waren, schwarz und fleckig. Von Kleidern und sonstigen Dingen, die der Leichnam getragen hatte, waren keine sichtbaren Reste geblieben.
    Das unglückliche Opfer war wohl vom obersten Balkon
    geworfen worden oder vielleicht von einer Behelfsbrücke in den Innenhof gestürzt, auf einem der größeren Dornen gelandet und direkt darunter zu liegen gekommen. Der Dorn hatte ihm den Brustkorb gespalten. Der Schädel hing nach einer Seite und starrte Dreyfus aus leeren Augenhöhlen an, der schiefe Unterkiefer schien schadenfroh zu grinsen, als ergötzte sich die Leiche noch im Tode an dem Grauen, das sie erregte.
    Dabei war nicht so sehr die Tatsache grauenvoll, dass hier ein Mord geschehen war, dachte Dreyfus. Er hielt nicht
    viel von Schnellgerichtsverfahren, aber nach so langer Zeit konnte niemand mehr beurteilen, womit das Opfer dieses
    grausame Ende verdient hatte. Grauenvoll war vielmehr,
    dass die Brandfackel-Agenten es nicht für nötig befunden hatten, die Gebeine zu beseitigen. Sie waren ihrer Arbeit nachgegangen, hatten diesen Stützpunkt wieder in Betrieb genommen und das Skelett einfach als festen Bestandteil der Einrichtung behandelt.

    In diesem Moment erkannte Dreyfus, dass er es nicht nur mit einer Sorte von Monster zu tun hatte.
    »Legen Sie die Waffen nieder!«, befahl eine Stimme.
    Dreyfus und Sparver fuhren herum, aber es war schon
    zu spät. Vom mittleren Balkon aus zeigte der Lauf eines weiteren Breitenbach-Gewehrs auf sie. Wenn die Waffe
    auf maximale Strahlenstreuung eingestellt war, konnte
    sie Dreyfus und Sparver mit einem einzigen Impuls aus-
    löschen.
    »Hallo, Paula«, sagte Dreyfus.
    »Legen Sie sofort die Waffen nieder!«, wiederholte Saavedra. »Sonst töte ich Sie.«
    Dreyfus streifte sich den Riemen von der Schulter und
    stellte die Waffe auf den Boden. Sparver folgte, wenn auch mit sichtlichem Widerwillen, seinem Beispiel.
    »Treten Sie zurück!«, befahl Saavedra. Sie ging den Balkon entlang, aber der Lauf ihres Gewehrs blieb auf Dreyfus und Sparver gerichtet. Endlich erreichte sie die Treppe. Sie trug Panoplia-Hosen, aber dazu nur eine ärmellose schwarze Tunika. Sie wirkte zarter als im Kasino, als Dreyfus sie und Chen angesprochen hatte, fast wie eine Puppe. Aber sie hielt die Waffe im Arm, als wöge sie nichts. Unter ihrer Haut zeichneten sich glatte, stahlharte Muskeln ab.
    »Ich bin nicht hier, um Sie zu töten«, sagte Dreyfus, als sie mit klappernden Absätzen die Stufen herunterkam.
    »Man wird Sie für den Mord an Chen zur Rechenschaft ziehen, und Brandfackel wird sich für seine Rolle bei der Zerstörung der Ruskin-Sartorius-Blase verantworten müssen.
    Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Ihr Handeln von
    Pflichtbewusstsein bestimmt war. Sie glaubten, das Richtige zu tun, als Sie den Uhrmacher versteckten. Vor Gericht wird man beide Seiten hören, Paula. Sie haben von der Justiz nichts zu befürchten.«
    Sie war unten angekommen und ging auf die beiden zu.
    »Sind Sie fertig?«

    »Mehr habe ich nicht zu sagen. Lassen Sie mich mit dem
    Uhrmacher abziehen, und ich tue, was ich kann, um Ihnen behilflich zu sein.«
    Saavedra stieß die Gewehre mit dem Fuß beiseite. »Warum liegt Ihnen so viel am Uhrmacher, Dreyfus? Was bedeutet er Ihnen?«
    »Das weiß ich erst, wenn ich ihn habe.«
    »Aber Sie sind doch interessiert.«
    »Da bin ich wohl nicht der Einzige.«
    »Sie haben Ruskin-Sartorius erwähnt. Wissen Sie, warum
    wir den Uhrmacher dort wegholen mussten?«
    »Vermutlich hat jemand herumgeschnüffelt.«
    »Und wer könnte dieser Jemand wohl gewesen sein? Wer
    war so erpicht darauf, nach all den Jahren sein Versteck aufzustöbern? Wer ist immer noch hinter ihm her?«
    »Gaffney arbeitete für Aurora. Sie ist diejenige, die den Uhrmacher finden und zerstören wollte, weil sie sich von ihm bedroht fühlte.«
    »Und Sie halten ihn für ungefährlich?«
    »Aurora hatte Angst vor ihm. Das genügt mir.«
    »Die Sache ist die, Dreyfus, ich habe nichts, was mir beweisen könnte, dass Sie mich nicht belügen.«
    »Wie wäre es damit? Wenn ich den Uhrmacher zerstören
    wollte, hätte ich nur vor dreizehn Stunden eine

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