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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Jahren?«
    »Wahrscheinlich kontrolliert er ihre Stresswerte.«
    »Das hat sie mir auch gesagt«, sagte Dreyfus und nickte.
    »Aber das ist doch nicht unsere erste Krise in den letzten elf Jahren.«
    »Vielleicht ist es die schwerste. Leider ist die Reaktion selbstverstärkend. Wir können nur hoffen, dass der erhöhte Hormonspiegel keine weitere Veränderung auslöst.«
    »Und wenn doch?«
    »Müssen wir den Sicherheitsspielraum, auf den wir bis-
    her so großen Wert gelegt haben, vielleicht noch einmal überdenken.«

    »Die Entscheidung würden Sie treffen?«
    »Wenn ich den Eindruck hätte, dass das Ding im Begriff
    ist, sie zu töten.«
    »Und bis dahin?«
    »Das Übliche. Wir haben die Therapie geändert. Sie be-
    kommt mehr Medikamente. Sie ist nicht begeistert davon, angeblich wirken sie abstumpfend. Sie verabreicht sich die Dosen immer noch selbst. Wir wandeln auf schmalem Grat: Wir müssen die Nerven beruhigen, aber sie darf uns nicht einschlafen.«
    »Sie sind nicht zu beneiden.«
    »Uns beneidet niemand, Tom. Daran haben wir uns in-
    zwischen gewöhnt.«
    »Ich muss Ihnen noch etwas sagen. Momentan ist nicht
    damit zu rechnen, dass die Belastung für Jane geringer
    wird. Ich arbeite an einem Fall, der einigen Staub aufwirbeln könnte. Jane hat mir grünes Licht gegeben, ich kann die Ermittlungen fortsetzen, ganz gleich, wohin sie führen.«
    »Das ist Ihre Pflicht.«
    »Dennoch mache ich mir Sorgen, wie Jane reagieren wird, wenn sich die Krise verschärft.«
    »Sie wird nicht zurücktreten, wenn Sie das meinen«, sagte Demikoff. »Darüber haben wir schon tausendmal gesprochen.«
    »Das würde ich auch nicht erwarten. Die Arbeit ist doch das Einzige, was sie vor dem Wahnsinn bewahrt.«
    Dreyfus saß vor seinem niedrigen schwarzen Tischchen
    und trank aufgewärmten Tee. Die Wand, auf die er gewöhnlich seine Gesichtercollage projizierte, zeigte jetzt nur ein einziges Bild, eine Aufnahme der Steinskulptur, die Sparver und er in der verkohlten Ruine von Ruskin-Sartorius gefunden hatten. Die Spurensicherung hatte sie nach Panoplia gebracht und bis in den Mikronbereich hinein untersucht.

    Ein leuchtend rotes Konturennetz unterstrich die dreidimensionale Struktur, die sonst nur schwer zu erkennen gewesen wäre.
    »Irgendetwas muss ich hier übersehen«, sagte Sparver,
    der neben ihm saß. »Wir haben die Mörder, ganz gleich,
    was Dravidian uns einreden wollte. Wir haben das Motiv
    und wir haben die Waffe. Warum verbeißen wir uns in dieses Kunstwerk?«
    »Irgendetwas daran lässt mich nicht los, seit wir es zum ersten Mal gesehen haben«, sagte Dreyfus. »Geht es Ihnen nicht auch so?«
    »Ich würde es mir nicht an die Wand hängen. Aber es ist doch nur ein Gesicht.«
    »Ein zerquältes Gesicht, das Gesicht eines Menschen, der in die Hölle schaut und weiß, dass er dort landen wird. Und außerdem glaube ich, es zu kennen.«
    »Ich sehe nach wie vor nur ein Gesicht. Zugegeben, es
    wirkt nicht besonders glücklich, aber ...«
    »Eines stört mich«, sagte Dreyfus, als hätte er Sparver nicht gehört. »Wir haben das Werk einer großen Künstlerin vor uns, die ihr Handwerk vollendet beherrscht. Aber wieso habe ich dann noch nie von Delphine Ruskin-Sartorius ge-hört?«
    »Vielleicht haben Sie nur nicht darauf geachtet.«
    »Das dachte ich zunächst auch. Aber als ich im Netz nach ihrem Namen suchte, bekam ich nur wenige Treffer. Sie
    nimmt seit mehr als zwanzig Jahren an Ausstellungen teil, aber der Erfolg war die meiste Zeit kaum messbar.«
    »Und neuerdings?«
    »Ging es bei ihr steil bergauf.«
    »Weil die Leute kapiert haben, was sie macht, oder weil sie besser geworden ist?«
    »Gute Frage«, sagte Dreyfus. »Ich habe mir einiges von
    ihren älteren Sachen angesehen. Sie zeigen Ähnlichkeiten zu der unvollendeten Skulptur, aber es fehlt auch etwas.

    Von der Technik her war sie immer schon perfekt, aber
    zu den früheren Werken konnte ich keine emotionale Be-
    ziehung entwickeln. Ich hätte sie als eine von diesen reichen Postmortalen abgestempelt, die zu viel Zeit haben und überzeugt sind, dass ihnen die Welt zu allem anderen, was sie ihnen schon geschenkt hat, auch noch Ruhm und Ehre
    schuldet.«
    »Sie sagten doch, das Gesicht käme Ihnen bekannt vor.«
    »Richtig. Aber die Spurensicherung konnte mir nichts
    dazu sagen, und als ich das Bild der Skulptur durch die Suchturbinen schickte, kam nichts heraus. Eigentlich kein Wunder, muss man wohl sagen, wenn man bedenkt, wie
    sehr sie die Züge stilisiert

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