Aus Dem Dunkel
die Terrasse ab, macht die Wäsche. Er bringt sogar dem Hund bei zu gehorchen.«
»Kommt er dir denn nicht, du weißt schon, irgendwie depressiv vor?« Leila ließ nicht locker, senkte jedoch diskret ihre Stimme.
Helen dachte daran, wie er am Morgen auf sie gewirkt hatte, als sie auf die Terrasse getreten war. Er hatte dort einfach gesessen und hinaus aufs Meer geblickt. »Manchmal«, gab sie zu. »Aber er sieht nicht wirklich depressiv aus, eher nachdenklich. Ich denke, er ist dabei, all die Erinnerungen, die langsam zurückkehren, zu verarbeiten. Er ist böse gefoltert worden«, fügte sie hinzu und spürte, wie Mitgefühl ihr Herz erfasste.
»Glaubst du nicht, dass ihn das zu einer Gefahr macht?«
Helen rief sich den Abend ins Gedächtnis, als er sie beinahe erwürgt hatte. »Nicht wirklich«, antwortete sie, ohne zu verraten, was sich ereignet hatte. »Wie viel macht das alles zusammen?«
Leila drückte eine Taste auf der Kasse und nannte ihr den Preis.
»Sein Psychiater sagt, mir werde nichts geschehen«, fügte Helen hinzu und schrieb einen Scheck über die Summe aus. »Aber er glaubt, dass Gabe wegen seines Traumas unter paranoiden Wahnvorstellungen leidet. Zuerst habe ich ihm das nicht geglaubt, aber gestern Abend schien Gabe sich davor zu fürchten, das Haus zu verlassen.«
»Er hat sich gefürchtet?«, fragte Leila spöttisch. »Gabe hat sich in seinem ganzen Leben noch nie vor irgendetwas gefürchtet.«
»Ich weiß, es ist … « Helen riss den Scheck heraus und gab ihn ihrer Freundin. »Es ist schon komisch.«
»Macht dir das keine Sorgen? Ich meine, er verbringt doch eine Menge Zeit allein mit Mallory.«
Helen fühlte sich durch Leilas Worte angegriffen, beruhigte sich aber damit, dass diese nur das Beste für sie und Mallory wollte. »Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Er geht ganz toll mit ihr um. Gerade hat er Mallory und Reggie dazu gebracht, ihm dabei zu helfen, die Terrasse abzuschleifen. Mal interessiert so was eigentlich nicht die Bohne, aber sie spürt Gabes Unruhe.«
»Vielleicht muss er mehr rauskommen«, schlug Leila vor, »um zu erleben, dass er jetzt in Sicherheit ist. Warum gehst du nicht mal mit ihm essen?«
»Ich kann kaum glauben, dass ausgerechnet du mir das vorschlägst«, erwiderte Helen.
»Für seine Heilung«, stellte Leila klar. »Er muss sich einfach schnell wieder zurechtfinden, das ist alles.«
»Das hat sein Arzt auch gesagt.« Helen nahm die Tüte entgegen, die Leila ihr reichte. »Ich denke, ich werde es mal versuchen.«
Leila ergriff Helens Hand und hielt sie einen Moment lang fest. »Sei vorsichtig, Helen«, sagte sie. »Ich weiß, er scheint sich verändert zu haben, aber … du weißt nicht, ob er auch so bleiben wird. Du kannst nicht wissen, ob er nicht vielleicht doch gefährlich ist – für dich oder für dein Herz.«
»Ich hab’s verstanden«, erklärte Helen, dankbar darüber, dass sich ihre Freundin solche Sorgen machte. »Es ist nur … « Sie zögerte und fragte sich, wie sie die Emotionen, die Gabe in letzter Zeit in ihr auslöste, in Worte fassen sollte, Gefühle von Sorge und Mitleid und echter Freundschaft. Neben der körperlichen Anziehung, die er schon immer auf sie ausgeübt hatte, untergruben sie ihren Entschluss, in Zukunft ohne ihn leben zu wollen. »Weißt du, er berührt mich irgendwie«, gab sie zu und flehte Leila innerlich geradezu an, sie zu verstehen. »Er benimmt sich so, als wolle er wirklich eine Beziehung zu mir aufbauen, als wolle er endlich der Ehemann sein, der er niemals gewesen ist. Ich erwische mich dabei, wie ich darüber nachdenke, wie schön es wäre, wenn er mich im Arm halten würde. Ich meine, es ist nicht zu übersehen, dass er das gern möchte.«
Leila stützte die Ellbogen auf den Verkaufstresen und betrachtete Helens Gesicht. »Eigentlich willst du damit sagen, dass du gern mit ihm schlafen würdest«, lautete ihre Interpretation.
»Nun ja, er ist mein Mann «, rechtfertigte sich Helen. »Und wenn er mich jetzt ansieht, dann tut er es nicht mehr so, wie er es früher getan hat. Als wäre er das Raubtier und ich die Beute. Vielmehr wartet er geduldig darauf, dass ich zu ihm komme.
»Du wirst es bereuen«, prophezeite Leila. »Er wird dich mit Haut und Haaren verspeisen, und dann spuckt der dich wieder aus. Wie oft hat er das in der Vergangenheit schon getan? Helen, du musst dich unbedingt davor schützen.«
»Ich weiß.« Es stimmte. Jedes Mal, wenn Gabe sie mit Aufmerksamkeit überschüttet
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