Aus dem Feuer geboren (German Edition)
Hammer, mit dem sie ihm den Schädel einschlagen konnte, nicht einmal zusätzliche Kleidung in den großen Schränken, mit dem sie ihn erwürgen konnte. Mit Bedauern, und weil ihr keine andere Möglichkeit blieb, zog sie sich das Seidenhemd an. Während sie die zu langen Ärmel hochkrempelte, fragte sie sich, wann der Befehl in Kraft treten würde. Der rutschige Stoff ließ sich nicht sehr gut krempeln, sie versuchte es mehrere Male, ehe sie aufgab und die Ärmel bis über ihre Handgelenke fallen ließ. Selbst dann fühlte sie keinen unwiderstehlichen Drang, in die Küche zu gehen.
Es war an ihr. Er hatte keinen Befehlshokuspokus veranstaltet.
Es machte sie fuchsteufelswild, dass sie auch ohne seinen Befehl tat, was er von ihr verlangte. Sie schloss die Schlafzimmertür auf und trat auf den Korridor.
Zwei Treppen lagen vor ihr, die rechte führte nach oben ins nächste Stockwerk, wo ein Balkon zu sein schien. Die linke führte nach unten und erweiterte sich dort zu einem eleganten Fächer. Sie runzelte die Stirn, weil sie sich aus der vergangenen Nacht an keine Treppen erinnern konnte. Hatte sie derart neben sich gestanden? Sie erinnerte sich sehr gut, am Haus angekommen zu sein, erinnerte sich, bemerkt zu haben, dass es drei Stockwerke gab, also gab es natürlich auch Treppen – sie erinnerte sich nur nicht daran. Ein derartiges Loch in der Erinnerung zu haben war beängstigend – denn was gab es noch, an das sie sich nicht erinnerte?
Sie nahm die Treppe nach unten und hielt inne, als sie unten ankam. Sie war in einem atemberaubenden … Wohnzimmer? Wenn es eines war, dann war es anders als alle, die sie bisher gesehen hatte. Die gewölbte Decke erhob sich drei Stockwerke über ihrem Kopf. An einem Ende lag ein riesiger Kamin, und die Wand am anderen Ende war ganz aus Glas. Anscheinend mochte er Glas, denn er hatte sehr viel davon. Die Aussicht war wirklich atemberaubend. Aber sie erinnerte sich auch daran nicht. An nichts von alledem.
Ein Korridor führte zur Seite, und sie folgte ihm vorsichtig. Wenigstens daran kam ihr etwas bekannt vor, und als sie eine Tür öffnete, fand sie das Badezimmer, in dem sie letzte Nacht geduscht hatte – und in dem er ihr die Kleidung vom Leib gerissen hatte. Sie biss die Zähne entschlossen zusammen und ging hinein, um nach ihren Schuhen zu suchen. Sie waren nicht da. Sie fand sich damit ab, barfuß gehen zu müssen, und ging durch das kleine Wohnzimmer, an der Toilette, die sie benutzt hatte, vorbei, in die Küche.
Er saß am Tresen, die langen Beine um einen Barhocker geschlungen, einen Becher Kaffee in der einen Hand und die Morgenzeitung in der anderen. Er sah auf, als sie hereinkam. „Ich habe ein bisschen Tee gefunden, und das Wasser kocht.“
„Ich werde Wasser trinken.“
„Weil du Tee mit deinen Freunden trinkst, richtig?“ Er legte die Zeitung hin und stand auf, öffnete eine Schranktür und nahm ein Wasserglas heraus, das er am Wasserhahn auffüllte. „Ich hoffe du erwartest kein edles Markenwasser, das ist eine elende Geldverschwendung.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Wasser ist Wasser.“
Er gab ihr das Glas und hob dann die Augenbrauen – beide. „Frühstücksflocken oder Bagel?“
„Bagel.“
„Gute Wahl.“
Erst dann bemerkte sie einen kleinen Teller mit seinem eigenen Bagel darauf, der hinter der Zeitung versteckt gewesen war. Vielleicht war es kleinlich von ihr, aber sie wünschte sich wirklich, sie würden nicht das gleiche essen. Sie wünschte es sich allerdings nicht genug, um selber auf Frühstücksflocken umzusteigen.
Er steckte einen einfachen Bagel in den Toaster und nahm den Frischkäse aus dem Kühlschrank. Während der Bagel toastete, sah sie sich um. „Wie spät ist es? Ich habe nirgendwo eine Uhr gesehen.“
„Es ist zehn Uhr siebenundfünfzig“, sagte er, ohne sich umzudrehen. „Und ich besitze keine Uhr – na ja, bis auf die im Ofen hinter dir. Und vielleicht eine in der Mikrowelle. Ja, ich glaube, Mikrowellen müssen heutzutage auch Uhren haben.“
Sie sah sich um. Die Uhr am Ofen war digital und zeigte ihr zehn Uhr siebenundfünfzig an, in blauen Zahlen. Die Sache war nur die – sie hatte die Uhr am Ofen vor seinem Blick verdeckt – und er hatte sich auch nicht umgedreht. Er musste wohl einen Blick auf die Uhr geworfen haben, als er den Frischkäse geholt hatte.
„Mein Handy hat auch eine Zeitanzeige“, fuhr er fort, „und meine Computer und Autos haben Uhren. Also wahrscheinlich habe ich schon Uhren, ich
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