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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Conférence aber, selbst wenn sie noch so struppig ist, hat etwas Schleimiges. Ich fand, hier müßten doch Bedenken angemeldet werden. Bedenken sind auch gut fürs Geschäft. Bald wäre über das Honorar zu sprechen, und eben dieses, dachte ich, wird sich ein hübsches Stück in die Höhe treiben lassen, wenn ich mich erst einmal reserviert verhalte. Ich gab mich also ein bißchen beleidigt und sagte dem Mann, der so ähnlich wie Krüger hieß: Gut für ihn, wenn ich mit einer schmissigen Moderation seinen Abend vor dem Absturz bewahre, aber was, wenn mein Ruf als Schriftsteller danach abstürze? Als Schriftsteller kann ich mir so einen Auftritt eigentlich nicht leisten! Verstehen Sie mich nicht falsch, aber das ist doch etwas halbseiden. Auch die Nähe zu Politik und zur Regierung ist mir zuwider. Die anwesenden Minister verachte ich sämtlich, und ich möchte nicht freundlich zu ihnen sein. Das würde meinen Ruf beschädigen.
    Irrtum. Mißverständnis. Der Mann, der so ähnlich wie Krüger hieß, beschwichtigte mich: Natürlich mute man mir nicht die Rolle des Moderators zu. Wo denken Sie hin! Bewahre! Der Moderator muß ein Publikumsliebling sein. Man denke an eine sehr prominente Schauspielerin. Meine Aufgabe bestünde darin, für diese Schauspielerin den Text zu schreiben. Mit einem Schuß Esprit.
    Nun war ich doch beleidigt. Ein Schriftsteller schreibt für Schauspieler Theaterstücke, keine Moderationswegwerftexte mit einem Schuß Esprit. Das kann jeder Schülerzeitungsredakteur besser. Im übrigen sollte sich ein Conférencier seinen Conférence-Text schon selbst ausdenken. Den kann man ihm doch nicht aufpfropfen. Wo sind wir denn! Wer bin ich denn! Was würde denn dabei überhaupt für mich rausspringen?
    Der Theaterdirketor, der so ähnlich wie Krüger hieß, entschuldigte sich demutsvoll, daß der Etat leider nur ein schmales Honorar erlaube. Dann nannte er eine Summe, von der ich ein halbes Jahr bequem würde leben können. Oder ich könnte für Linda endlich ein edles schweres Motorrad kaufen, nach dem sie schon lange verlangte, um damit von mir als Windsbraut durch die Gegend gefahren zu werden. Leider ist nicht mehr drin, wimmerte der Direktor, als ich freudig schwieg. Natürlich: Er hatte mit Sängern zu tun, die für das Singen einer einzigen Arie mehr kassierten.
    Die Schauspielerin, die der Direktor als Moderatorin vorgesehen hatte, war eine begehrenswerte Frau. Die Aussicht, sie kennenzulernen, mich mit ihr abzustimmen, ihr Worte in den schönen Mund zu schreiben, war neben dem Honorar ausschlaggebend für meine Zusage. Linda würde ein bißchen eifersüchtig werden. Eifersüchtig war sie noch aufreizender.
    »Und bitte«, sagte der Direktor, »bitte vergessen Sie, daß Sie ein renommierter Schriftsteller sind, vergessen Sie das einfach. Wir wollen keinen anspruchsvollen Text, ein bißchen Esprit genügt, bloß nichts Literarisches.«
     
    In den folgenden Wochen hatte ich häufig zu tun mit dem Direktor, der so ähnlich wie Krüger hieß. Es gelang mir nicht, seinen Namen zu behalten. Diese Schwäche war nicht auf die mich langsam aussaugende Linda zurückzuführen. Namen hatte ich mir noch nie gut merken können. Wenn ich ihn anrief, war sein Sekretariat an der Leitung, und ich mußte nach ihm fragen. Wie ihn nennen? Nachdem ich ihn nun schon mehrere Male getroffen hatte, konnte ich nicht mehr fragen: Wie heißt noch mal der Direktor? Man hätte mich für verrückt gehalten. Jeder Mensch, der mit Kultur zu tun hat, kennt den Namen des Theaterdirektors. Ich hatte mir daher angewöhnt, seinen Namen so undeutlich auszusprechen, daß es nach Krüger, Kröger, Klöger, Kläger, Krüber, Kröber, Klöber, Klüber, Klöwer gleichzeitig klang. Die Sekretärin sagte freundlich: »Moment, ich stell Sie durch« - und dann sprach sie den Namen ihres Chefs genauso undeutlich aus wie ich, und ich wußte wieder nicht, wie er hieß. Für mich war es der Herr Krüger. Wenn ich mit ihm sprach, behalf ich mich, indem ich ihn ironisch »Chef« oder »Direktor« nannte. Er lächelte dann etwas gequält - vor allem, wenn ich ihn freundlich für verrückt erklärte, weil er für diesen lachhaften Preisverleihungsabend einen Aufwand betrieb, als handle es sich um die Welturaufführung einer plötzlich aufgefundenen unbekannten Oper von Mozart. »Ich weiß schon«, sagte er und senkte den Blick.
    Die schöne Schauspielerin, für die ich meinen Moderationstext gerne geschrieben hätte, sagte nach wochenlangem Zögern

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