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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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nicht sonderlich, während Wundertüten wirklich weise Liebesperlen, du weißt schon, und wenn nicht ist es auch recht …
    Und seitenlang so weiter. Das ist nicht mein Stil. Ich bin kein Dadaist, sondern ein Liebhaber der Verständlichkeit. Nun aber füllte ich leere Seiten nur noch mit Buchstaben und Worten, weil ich mir nicht eingestehen wollte, daß ich nichts mehr zu sagen hatte. Entnervt von den blödsinnigen Ergebnissen meiner Beschäftigungstherapie hörte ich schließlich damit auf.
    Immer seltener gelangen mir Texte, die man von mir erwartete. Ich überzog Abgabetermine und lieferte schließlich gar nicht mehr. Die Aufträge blieben aus. Das Geld wurde knapp.
    Die Ursache meiner Produktionsprobleme war mir ziemlich schnell klar. Doch konnte und wollte ich nichts dagegen tun. Jetzt erst begriff ich, was mich all die Jahre zu einem so unermüdlichen Schriftsteller gemacht hatte: Alle Romane und Erzählungen, selbst meine Essays waren Versuche gewesen, den Frauen zu imponieren, sie zu gewinnen oder zurückzugewinnen. Die einfache Sehnsucht nach Liebe hatte mich so beflügelt. Mit dieser Sehnsucht war es nun vorbei. Haltlos und ungeniert hatte ich kluge Frauen mit langen Beinen herbeigeschrieben, die knallkurze und knallenge und knallbunte Lederröcke tragen und damit wie Königinnen aussehen.
    Eine solche Ausgeburt meiner primitiven Männerphantasie war mir eines Tages erschienen. Hier bin ich, sagte sie, ich ziehe bei dir ein. Ich habe deine Bücher gelesen. Ich glaube, wir passen zusammen. Sie warf ihren Koffer auf mein Bett und öffnete ihn. Da waren sie: Die Röcke aus meinen Romanen: pflaumenblau, spinatgrün, tomatenrot, kirschrot, pechschwarz, bananenschalengelb, auberginenviolett.
    Das ist Linda. Seitdem sie da ist, geht es mit mir als Autor bergab. Ich hatte immer gern nachts gearbeitet. Nachts verlangt Linda nach mir. Wenn ich tagsüber in meinem Arbeitszimmer sitze und an ihren glatt berockten Arsch denke, verliere ich unweigerlich den Verstand. Wie sollte mir etwas einfallen, wenn die Frau, nach der ich mich immer sehnte, in Reichweite ist. Gelb ist geil und grün ist geil - das war alles, das ich zu Papier brachte. Und weiter: Und glatt ist geil und rot ist geil und fest ist geil und hart ist geil und heiß ist geil und geil ist heiß und hart ist heiß und glatt ist heiß und fest ist heiß und schwarz ist heiß und rot ist heiß - aber auch grün ist heiß und sogar blau ist heiß. Linda hat es geschafft, sie setzt die Farbenlehre außer Kraft.
    Der Mangel an Lust war es gewesen, der mich wie ein Besessener und zielgerichtet hatte schreiben lassen. Nun konnte ich nur noch diffus herumlallen. Doch war mein Ruf als Autor noch nicht ruiniert. Es erschienen keine Texte mehr von mir, aber die Kritiker gestanden mir zu, was ich mir selbst nie zugestanden hätte: eine Erholungsphase nach vielen produktiven Jahren. Fast stieg mein Ansehen in der Branche. Es wirkte offenbar seriös, daß meine Buchstaben nicht ständig und überall zu lesen waren. Er sammelt sich - las ich über mich. Und nur ich selbst wußte, daß die reale Lusterfüllung mich als Schriftsteller leer gemacht hatte. Nur noch selten ging ich in mein Zimmer und versuchte es noch einmal. Ich verbat mir meine Seiten füllenden Blindtexte, die ein närrischer Halbfreund von mir einmal versehentlich zu Gesicht bekommen und in seiner Unbedarftheit als avantgardistisch bezeichnet hatte.
    In einem anderen Zimmer lag Linda auf dem Sofa - vielleicht in einem weinroten Reptilienanzug. Eine Burgundereidechse. So las sie einen englischen Roman aus dem 19. Jahrhundert. Durch den gewagten Aufzug der Leserin wirkte das brave Buch wie ein laszives Pamphlet. Unter diesen verschärften Bedingungen konnte ich nichts anderes schreiben, als daß ich mich Linda hitzig näherte … wie mir die Lust ins Hirn schoß, bei der Berührung ihrer zweiten Haut, und alle klaren Gedanken schwanden. Und während ich mir vorstellte, wie ich ihre zweite Haut berührte, schoß mir die Lust ins Hirn und ließ alle klaren Gedanken schwinden. Was ich dann zu Papier brachte, waren literarisch erbärmliche, manisch sich wiederholende pornographische Passagen, an denen Linda ein gewisses Vergnügen hatte, weil sie ihre Macht über mich bewiesen.
    Zum Glück erreichten mich hin und wieder Anfragen von Personen, die mich aus meinen besseren Tagen kannten. Sie wußten nichts von meinem literarischen Verlöschen und luden mich zu Reden und Vorträgen ein. Die Fähigkeit, frei zu

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