Aus dem Leben eines Lohnschreibers
weit ist, lasse ich mir mein Kaschmirjackett schneidern. Steigerung und Verbesserungen müssen sein. Ein Autorenbuchmessenjackett sollte nämlich übergroße Außentaschen haben. Solche Jacken gibt es nicht von der Stange. Man muß in jede Tasche bequem einen 500-Seiten-Roman versenken können. Es ist keine Art, auf der Buchmesse mit Büchern in der Hand herumzulaufen, weder mit eigenen, noch mit fremden. In die Hand des Autors gehört ein Glas Wein und nach wie vor eine Zigarette.
Der Dichter mit den achtundzwanzig Büchern
Wie ich einmal in Schanghai über den roten Teppich ging
Meine Reiselust hält sich in Grenzen. »Nach Ägypten wäre es nicht so weit, aber bis man erst zum Südbahnhof kommt.« Der Seufzer von Karl Kraus hat mir immer besser gefallen als das so beherzigenswert klingende Motto des in Vergessenheit geratenen Reisephilosophen Hermann von Keyserling, wonach der kürzeste Weg zu einem selbst um die Welt führt. Man kommt sich fast vor, als treibe man Erkenntnisboykott, wenn man, zu Hause auf dem Sofa sitzend, solche Sentenzen hört. Und doch sind die Weltenwanderer, die unerleuchtet heimkehren, in der Mehrzahl und zeigen, daß die Erfahrbarkeit ihre Grenzen hat.
Am liebsten reise ich, wenn ich eingeladen werde und mich um nichts kümmern muß. Einmal ging es nach Schanghai. »Schanghai! Ah! Oh! Wahnsinn! Toll!« war der Kommentar all meiner Freunde und Bekannten. Der offenbar ehrliche Neid auf meine Reise tröstete mich ein wenig über die lästigen Aufbruchsvorbereitungen hinweg. War mir nicht klar gewesen, daß diese Stadt als besonders aufregend gilt. Automatisch war dann immer die Nachfrage gekommen: »Reist du für das Goetheinstitut?«
Wenn deutsche Schriftsteller auf dem Globus herumkurven, steckt in der Tat oft das Goetheinstitut dahinter. Das ist der übliche und preisgünstige Weg für hiesige Künstler, die große Welt kennenzulernen. Im Glauben oder unter dem Vorwand, deutsche Kultur in die Welt zu tragen, reisen seit Jahrzehnten meist die immer selben Schriftsteller und sonstige Kunstschaffende nach Kasachstan oder Kolumbien, um dort ein paar strammen, Deutsch lernenden Hirten und einigen schlaffen Witwen deutschstämmiger Auswanderer das neue Buch, den neuen Film, die neueste Bildkunst nahezubringen. Danach läßt sich der Künstler vom Goethe-Institutsleiter Stadt und Umland zeigen und zum Essen einladen, ehe er über die Innere Mongolei nach Neuseeland weitertourt, um dort andere kulturhungrige Menschen zu beglücken. Später wird er diese Erfahrungen vielleicht in seinem Werk verarbeiten und so den engen Horizont der deutschen Literatur erweitern. Werden Goetheinstitute geschlossen, erhebt sich ein Wehgeschrei, weil solche wechselseitig enorm bereichernden kulturellen Begegnungen weniger werden.
Ich kann mir diese ungerechten Bemerkungen erlauben, da ich nicht zu denen gehöre, die von Goethe in die Welt geschickt werden. Einerseits schade, andererseits kein schlechtes Gefühl, wenn man kein geeigneter Repräsentant seines ohnehin nur mäßig geliebten Heimatländchens zu sein scheint. Zwar kenne ich dadurch weder Indien noch Uruguay, aber in Ulm oder Kiel zweihundert Leute mit einer Lesung zu erheitern ist vielleicht glückbringender, als in Neu-Delhi oder Montevideo ein paar Zuhörern beim Einschlafen zuzusehen.
Nicht also das Goetheinstitut, von dem man nie weiß, ob es nun bettelarm ist oder sich als bettelarm darstellt, um mehr Geld zu ergattern, sondern die fraglos nicht bettelarme Stadtregierung von Schanghai selbst war auf die Idee gekommen, eine Handvoll deutscher Schriftsteller einzuladen. Warum man auf mich verfallen ist, weiß ich nicht. Ich stehe nicht im Vordergrund. Die chinesische Übersetzung eines Kinderbuchs von mir war gerade irgendwo im fernen Riesenreich erschienen, das aber war der Grund nicht. Das Buch hieß »Wie man seine Eltern erzieht« und war ein entschieden zu ironisch und antiautoritär geratener Ratgeber, den ich mir abgequält hatte, weil der Verleger sicher gewesen war, daß ein Kinderbuch von mir ein großer und jahrzehntelang währender Dauererfolg werden und sich damit als ideale Grundrente für meinen Lebensabend erweisen würde. Da ich, was derlei Vorsorge betrifft, eher zu den sorglosen Grillen der Fabel als zu den emsig alle möglichen Versicherungen abschließenden Ameisen gehöre, schien mir die Idee gut. Der Kinderbuchton fiel mir nicht leicht, das Schreiben kostete mich fast ein halbes Jahr. Was tut man nicht für seine
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