Aus dem Leben eines Lohnschreibers
einem Autor zu suggerieren versucht, was alles genau in seinem Text zu stehen habe. Man bekommt als Autor normalerweise sein Thema und seine Textmenge, und man hat seinen Stil und seine Sicht. Darauf kommt es den Auftraggebern an. Was man schreibt, steht einem frei. Deswegen wird man ja von einer Zeitung oder Zeitschrift um einen Text gebeten, weil sie sich denken können und wissen wollen, was man zu einem Thema zu sagen hat. Bei »Cicero« aber versuchen offenbar diensteifrige Redakteure, die Beiträge auch von Gastautoren so hinzudrechseln und einzuparfümieren, daß sie den verschrobenen Vorstellungen des Chefredakteurs von einem neoliberal gebildeten Text entsprechen. Was in meinem Fall herauskam, war eine Art pseudointellektueller Marzipanschweintext, und es ist wahrhaftig nicht verwunderlich, wenn ein Leser dieses übersüßten Desserts nicht weiß, was der Autor nun sagen will. Wenn es irgendwie intelligent klingt, scheint es für eine Talkshow-Qualifikation zu genügen.
Zu Beginn meiner Lohnschreiberei vor vielen Jahren, gab es gelegentlich Redakteure, die den Drang hatten, an einigen Stellen ihre persönliche Duftmarke in einem bestellten Text zu hinterlassen. Mit den Jahren allerdings nahm der Respekt zu. Je länger man in dieser Branche arbeitet, je älter man wird, desto weniger wagen sie, Einwände oder Verbesserungsvorschläge vorzubringen, was einen zu mehr Formulierungssorgfalt zwingt, als einem lieb ist. Der »Cicero«-Redaktion allerdings war jede Achtung vor dem Gastautor offenbar fremd.
Ich weiß gar nicht mehr, was mich damals davon abhielt, die Redaktion mit einer Beschimpfung zu überziehen. Vor allem unterblieb das wohl, weil ich als ständig gehetzter Lohnschreiber keine Zeit fand, Briefe zu schreiben, für die man schließlich nicht bezahlt wird, wenn man kein Anwalt ist. Auch habe ich den »Cicero«-Chefredakteur oft genug in Fernsehtalkrunden herumsitzen und ein derart wichtigtuerisches Rasierwassergesicht machen sehen, daß ich von diesem Mann keine Erklärung für die Unverschämtheit bekommen wollte, die mir sein Intelligenzblatt angetan hat. Auch kannte ich keinen Menschen und konnte mir keinen vorstellen, der »Cicero« lesen und sich über meinen Weihnachtstext wundern würde.
Noch nie in meinem Autorenleben habe ich die Geschmacklosigkeit besessen, ein Wort wie »Dichotomie« zu benutzen, nicht einmal das simple intellektuelle Schwätzerwort »Diskurs« kommt mir über die Lippen oder auf das Papier. Und dann mußte ich in einem von der Redaktion unter meinem Namen dazugeschriebenen Absatz eine Formulierung lesen, die ausreichen sollte, nicht nur die Redaktionsräume dieses Blatts zu durchsuchen und zu verwüsten, sondern auch die Verantwortlichen zu inhaftieren: »Die Grundsatzdebatten über ›Lametta oder Strohsterne‹, ›Hecht oder Gans‹, ›TV oder nicht TV‹ dürfen durchaus als diskursfördernde Liegestütze gelten: Solcherart polar zugespitzt und in Alternativen dichotomisiert erleben wir schließlich auch die großen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen.« Entsetzliches vorweihnachtliches Akademikergewitzel! Eine Art mißlungene Habermas-Parodie. Mein Text war den Spießern offenbar nicht bildungsbürgerlich, nicht luzide genug gewesen.
Richtig, einen »luziden« Text hatten sie sich gewünscht, das hätte mich mißtrauisch machen sollen. Schon ein paar Wochen vorher hatten sie mich um eine Gastkolumne für ihre Rubrik »Bürgerliche Innenwelten« gebeten, eine »luzide« Reflexion über die neue Rolle des Mannes im Zeitalter der emanzipierten Frau. Ich hatte in diesem Text eine Frau vorkommen lassen, die an der Weichheit ihres Mannes verzweifelt, etwas zupackender angefaßt werden möchte, die in ihrer Not schließlich deutlich wird und dem Gatten zuruft: »Gib mir Saures!« Eine Botschaft, die der Softie natürlich nicht versteht. Dieser Text war bezahlt, aber nicht gedruckt worden, weil er dem Chefredakteur nicht behagt hatte.
Mein schönster Mißerfolg
oder Die Kunst der Entsorgung
Was ging es mir gut, Mitte der 1980er Jahre. Die Kritik rühmte den neuen deutlichen Ton meiner Texte und heftete mir wohlklingende Etiketten an. »Blaublutanarcho.« In Österreich war ich »der goscherte Graf«. Literarische Entrüstungen über die Ausgeburten der Zeit waren mein Ding. Schon damals fuhren die gerne großen Laffen mit riesigen Jeeps durch die Villenviertel, und ich beschrieb sie als Kotzbrocken. Weg mit euch! Manche entschuldigten sich bei mir, manche
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