Aus dem Leben eines Lohnschreibers
Zeitschrift kaufen, die sich »Weingourmet« nennt. Die würden sich von meinem Text auf den Arm genommen fühlen.
Jetzt, in meinem Tutzinger Vortrag (der mehr ein kommentierter Erfahrungsbericht war als ein Vortrag), verriet ich, was man als erfahrener Auftragsarbeiter in einer solchen Situation leise flüstern müsse: Zahlen Sie ein Ausfallhonorar, und wir lassen die Sache. So zeige man seinen Stolz. Allein lehrreich ist es zu beobachten, was diese Bemerkung in Bewegung setzt: Wie dann davon die Rede sei, daß der wundervoll bissige Text irgendwie gerettet werden müsse. Bei diesen Rettungsversuchen lerne man einiges über das Funktionieren unseres Gesellschaftssystems, mehr, als wenn man einen Text zurückziehe, das wirke fast immer beleidigt, dann lerne man nichts dazu. Ganz anders, wenn man kooperativ seufze: Was schlagen Sie vor?
Redend erinnerte ich mich wieder: Im Fall des Benzinwein-Textes war der Vorschlag gekommen, ich solle mit wenigen Strichen am Text und etwas mehr Vergangenheitsform beim Verleger und Leser den Eindruck erwecken, es handle sich um einen Bericht aus der Zeit, als ich noch armer Student war. Damals vor vielen, vielen Jahren hätte ich noch diesen billigen Wein getrunken, und daran müsse ich nun sentimental zurückdenken. Eine Erinnerung an eine nette Jugendsünde. »Schreiben Sie doch, wie Sie mit einem Citroën Deux Chevaux mit 60 Litern im Kofferraum den Stoff aus Italien herausschmuggelten, und wie das Wackelauto mit der Last kaum über die Alpen kam!« Der Redakteur war begeistert von seiner rettenden Idee. »Das wäre Verrat!« sagte ich. Der Witz besteht ja darin, daß ich heute diesen vorzüglichen Billigwein schätze und trinke, obwohl ich mir nicht zuletzt dank Ihrer vorzüglichen Honorare durchaus einen teureren Wein leisten könnte - daß ich so unverblendet bin im Gegensatz zu Ihrem Verleger und Ihren Lesern. Dann wurde langsam klar, daß wegen Text-Umbauarbeiten noch einmal 1000 Mark auf das Honorar draufzulegen wären, und ich schrieb einen anderen Anfang. Ich tat so, als verfüge ich über einen edlen Weinkeller, den ich von einem boshaften Onkel geerbt hätte, welcher wußte, daß mir teure Weine peinlich sind. Trotz meiner ererbten kostbaren Weinschätze aber hinge ich noch immer an meinem billigen Benzinwein und mache mir den Spaß, diesen auch meinen Gästen als Edelwein zu kredenzen. Ich gab mich in dieser Version der Geschichte als der Adelige aus, der ich nun wirklich nicht zu sein glaube, der sozusagen das arme einfache frische Bauernmädchen zu schätzen weiß und den die reichlich zur Verfügung stehenden adeligen Gespielinnen anöden. In dieser romantischen Fiktion war der Artikel zumutbar - und er ist damit möglicherweise sogar raffinierter geworden als in der ersten Version, in der Dummheit und Reichtum etwas polternd attackiert worden waren.
Ich flocht in meinen Vortrag noch das eine oder andere ähnlich vielsagende Beispiel, das ich in jüngster Zeit als Auftragsarbeiter erlebt hatte, und so auch die Rede, die ich zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele auf ein Kunstwerk hatte halten sollten, das kein Mensch verstand - auch der Künstler nicht. Dieses Werk bestand aus einigen Tausend Gartenzwergen aus Plastik, die in einer Formation auf dem Platz vor der Oper aufgebaut waren. Der Künstler hatte mich als Redner gewünscht, denn bei mir konnte er sicher sein, daß kein »Kunsthistorikergewichse«, wie er sich ausdrückte, abgesondert werden würde. Die das Ereignis sponsernde Bank hingegen hoffte, ich möge das Werk mit schlauen Worten deuten. In meiner Not hatte ich mich mit der Bemerkung aus der Affäre gezogen, ich würde 3000 Mark für diese Rede erhalten, dankeschön. Für diese in der mit Millionen herumschmeißenden Kunstbranche vergleichsweise lachhafte Summe aber sei die Deutung eines so gewichtigen Kunstwerks nicht zu verlangen, man hätte mir schon die zehnfache Summe geben müssen, dann wäre ich vielleicht bereit gewesen, mir eine Erklärung für die sechs- oder achttausend Gartenzwerge aus den Fingern zu saugen. Die andere Hälfte der Redezeit las ich zur allgemeinen Erheiterung Zitate aus den Ausstellungskatalogen dieses Künstlers vor, in denen wohlmeinende Kunstkritiker von der Dichotomie dieses Werks raunten.
Dies sei doch Beweis genug, sagte ich nun in meinem Tutzinger Vortrag, daß man sich, wenn man für Geld rede oder für Geld schreibe, durchaus nicht korrumpieren lassen müsse. Und ich gab, solange meine Redezeit reichte,
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