Aus dem Leben eines Lohnschreibers
weitere Beispiele von Auftragstexten, mit denen es köstliche Schwierigkeiten gegeben hatte, die ausnahmslos mein Autorenleben bereichert hätten, egal ob ich für die Festschrift einer Zementfabrik dann doch zu abfällig über Beton oder für einen Bildband mit Händen zu frauenfeindlich über das männliche Zupacken geschrieben hatte. Als der katholische Weltbild Verlag in Augsburg in ein neues gläsernes Bürogebäude zog, dessen Architektur wegen ihrer Transparenz gerühmt wurde, und in einer Broschüre angemessen gefeiert werden wollte, wurde ich beauftragt, eine kurze Hymne auf den Begriff Transparenz zu schreiben - ein Auftrag, den ich mit Vergnügen annahm. Ich beschrieb einen Bürochef, der sich etwas zu schmierig einer Sekretärin nähert, die dann darum bittet, nicht mit undurchsichtigen Bemerkungen angebaggert zu werden, sondern mit transparenten. Witzig hatte der Text sein sollen - aber doch nicht so!, natürlich wurde er nicht gedruckt, aber bezahlt. Ich hatte ihn geschrieben und war froh darüber.
Für Geld schreibe ich alles - aber so, wie ich es will. Den Vorteil dieser Produktionsmethode versuchte ich in meinem Tutzinger Vortrag zu erläutern. Ich wollte die Lohnschreiberei vom Ruch der Prostitution befreien. Und weil ich am Schluß noch zwei Minuten Zeit hatte, erzählte ich, wie ich beim Schreiben eines Essays für die »Vogue« über das Lachen auf einen Witz von Immanuel Kant gestoßen war, auf den ich ohne die Modezeitschrift und ohne diese Auftragsarbeit garantiert nicht gestoßen wäre, weil die »Kritik der Urteilskraft« nicht auf meiner Leseliste stünde. Eben dort aber berichtet der nicht für seinen Humor bekannte Kant, was ihn zum Lachen bringt: Nicht etwa, daß man (wie im 18. Jahrhundert offenbar üblich), um Beerdigungen möglichst groß und würdig zu gestalten, fremde Trauergäste mietet, findet er komisch, sondern die paradoxe Tatsache, daß diese bezahlten Gäste immer weniger die gewünschte Trauermiene aufsetzen, je mehr Geld man ihnen gibt.
Ich hatte mich in diesem Tutzinger Vortrag nicht zum ersten Mal lustvoll als Lohnschreiber stilisiert. Der entsprechende Ruf eilt mir voran und hinterher. Seit Jahren lasse ich es mir ohne Protest gefallen, wenn ich bei Lesungen von klappentextzitierenden Veranstaltern dem Publikum genüßlich als »Honorarcholeriker« vorgestellt werde, der sich für Geld über alles mögliche aufregt. Bis in diese relativ erlesene Tutzinger Runde war mein Bekenntnis zur Käuflichkeit offenbar noch nicht vorgedrungen. Man zeigte sich zunächst einigermaßen überrascht und befremdet. Der Vortrag kam als Geständnis gut an, auch später in der Presse, er wurde als frisch und außergewöhnlich offenherzig gewürdigt, ja als Höhepunkt der Tagung. Natürlich ging in der allgemeinen Heiterkeit unter, was mir zu vermitteln schon wichtig gewesen wäre. Die Frage zum Beispiel, ob die Schwachbrüstigkeit der Gegenwartsliteratur, so sie nicht nur Einbildung ist, vielleicht damit zusammenhängt, daß viele Autoren zur Lohnschreiberei nicht willens oder in der Lage sind, zu einer Disziplin, die eine, egal wie es ausgeht, zumindest handfest mit der Wirklichkeit in Berührung bringt.
Es ist immer das gleiche, wenn man witzig ist: Kaum einer merkt dann, daß man auf etwas Substantielles hinweisen wollte. Nur einer der Zuhörer, ein Kunst- oder Ästhetikprofessor (Walter Grasskamp) mokierte sich in der anschließenden Diskussion über diejenigen, die sich bei meinem Vortrag zu allzu lautem Lachen hatten hinreißen lassen, und wies auf den Ernst hin, den meine Ausführungen enthielten. Ich hätte den Mann umarmen können. Allerdings übertrieb er mit seiner Vermutung, hier habe ein Verzweifelter gesprochen. Das nun nicht.
Die Göttin der Filiale
oder Der unverdrossene Minnesänger
Goethe ist an vielem schuld. Zum Beispiel daran, daß manche Zeitungen miserabel zahlen, und zwar mit dem Hinweis oder auch nur dem stummen Augenaufschlag: ist es nicht Lohn genug, daß du bei uns deine Stimme erheben darfst, was willst du auch noch schnödes Geld dafür sehen. Diese Ausbeutungsunsitte fußt auf Goethes fadem Gedicht vom Sänger, das passend in seinem faden »Wilhelm Meister«-Roman eingeschoben ist und in dem der naive Sänger die angebotene Belohnung des Königs (eine goldene Kette) mit den naiven Worten ablehnt: »Ich singe, wie der Vogel singt, / Der in den Zweigen wohnet; / Das Lied, das aus der Kehle dringt, / Ist Lohn, der reichlich lohnet.«
Solchen
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