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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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daß mein Wunsch nur der sei, sie möge diese diskrete Eloge auf sich zu lesen bekommen. Zwar finde nicht jede Frau Gefallen daran, öffentlich besungen zu werden, die von mir verehrte Mitarbeiterin aber gehöre vielleicht zu denen, die daran durchaus Spaß hätten, und es wäre doch schade, wenn sie auf Grund eines Arbeitsplatzwechsels oder eines Ausscheidens aus der Firma oder aus welchem Grund auch immer diese Hymne auf sich nicht zu lesen bekäme.
    Es sei mir klar, schrieb ich, daß es Hunderte von Filialen und Tausende von Mitarbeiterinnen gebe, daß mein Ansinnen eine Zumutung sei, daß es für die Personalleiterin vermutlich nicht leicht sei, herauszubekommen, welche Person ich überhaupt meine. Schließlich kannte ich den Namen der Göttlichen nicht und auch nicht ihre Funktion in der Firma. Vielleicht war sie gar nicht Filialleiterin, sondern nur eine gut Bescheid wissende Verkäuferin oder eine besonders clevere Aushilfe.
    Ich war also gezwungen, sie vorsichtig zu beschreiben. Ich äußerte mit höchster Ausländerfreundlichkeit die Vermutung, es könne sich um eine junge hübsche Türkin Anfang Zwanzig handeln. Während ich das schrieb, fiel mir allerdings ein, daß diese Angabe zur Identifikation nicht ausreichte, denn in der Filiale arbeiteten mehrere Frauen, die junge hübsche Türkinnen Anfang Zwanzig sein konnten. Vielleicht war sie auch eine Hiesige, oder stammte aus Griechenland oder Portugal. Ich betonte, daß die Gesuchte besonders anmutig und auffällig zierlich sei und hoffte, mit dieser Präzisierung nicht wie ein sabbernder Connaisseur dazustehen. Ich bat nicht händeringend, aber herzlich, mir zu verraten, in welcher Filiale ich meine verlorene Flamme wiederfinden könne oder ob sie womöglich die Firma verlassen habe und ich die Hoffung aufgeben müsse. Ich würde ihr doch allzugern die Zeitung persönlich überreichen. Wenn dies nicht möglich sei, bäte ich darum, meiner mutmaßlichen Filialleiterin ein Exemplar der Zeitung mit einem Gruß eines ihr unbekannten Kunden zukommen zu lassen.
    Schließlich machte ich noch einen Witz: Falls es sich um eine Türkin handle, habe sie sicher einen Bruder oder Vater, der es nicht ertragen könne, daß seine Schwester von einem Kunden in westlicher Minnesängermanier angeschwärmt werde und der mich dann mit Messerstichen ins Jenseits befördern werde, weswegen ich hiermit mein eigenes Todesurteil geschrieben habe.
    Schweigen. Ich hatte geglaubt, daß ich von der Personalabteilung rasch und höflich den kühlen Bescheid bekommen werde, aus Datenschutzgründen könne man meinem Anliegen nicht nachkommen, aber es kam gar keine Antwort. Doch noch gab ich nicht auf. Eine Göttin trifft man nicht alle Tage, es wäre eine Sünde, ihr Verschwinden kampflos hinzunehmen. Eine E-Mail wird vielleicht nicht ernst genug genommen oder übersehen. Ich druckte meine Bitte auf Papier aus und schickte sie per Post in die Personalzentrale. Nichts. Offenbar hielt man mich für einen Trottel, einen Verrückten, einen Spanner oder gar einen Stalker. Langsam kam ich mir selbst schon so vor. Schwärmen ist ja in Ordnung, es ist weniger eine Tätigkeit als ein rötliches vor sich hin Glimmen, was aber ich hier unternahm, war seltsam hyperaktiv.
    Schwärmer sind wir alle. Der Chefredakteur der Zeitung, in der meine Kolumne erschien, war ein handfester Mensch, sonst wäre er nicht Chefredakteur. Doch auch er war ein Schwärmer. Mit meinem Schwärmen für die Göttin der Filiale konnte er sich so gut identifizieren, er legte bei dieser Kolumne einen Hunderter als Extralohn auf das Honorar drauf. Danke. Da wußte ich wieder, was der Sinn des Schreibens beziehungsweise Veröffentlichens ist: Man empört oder begeistert sich als Autor stellvertretend für seine Leser, die nicht genügend Zeit und Gelegenheit und nicht die richtigen Worte haben, sich zu empören und zu begeistern, die keine Ehefrauen haben, die das ertragen, die sich nicht die Naivität erlauben können, stundenlang, tagelang, wochenlang und vor allem völlig vergeblich für hübsche Filialleiterinnen zu schwärmen - die aber wenigstens davon lesen wollen.
    Die Wirklichkeit aber ist grausam. Es gab nun keine Möglichkeit mehr, der verlorenen Göttin der Filiale nachzuspüren. Fatima hatte ich sie in meiner Hymne versuchshalber genannt. Orientalisch märchenhaft war sie aufgetaucht und nun entschwunden. Ich mußte sie vergessen, ich würde sie vergessen, ich bin kein Minnesänger, kein Petrarca, der seine

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