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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Steine schleudernden Haufens, die rechte Faust drohend erhoben, mit der linken sich unterhakend bei einem anderen, schreienden Demonstranten, marschierte Peter Kurowski durchs Bild. Eine Minute lang, als Beispiel der unzufriedenen Jugend. Millionen sahen, wie er von Polizisten niedergeschlagen und über die Straße weggeschleift wurde. Auch Erna und Ewald Kurowski sahen es. Sie saßen vor dem Fernsehapparat und schwiegen. Sie starrten auf ihren Sohn und sahen, wie er blutete, wie er gegen die Polizisten trat, wie er: »Ihr Bullen! Ihr Schweine! Ihr Kapitalistenknechte!« brüllte, wie man ihn über die Straße zog und in einen vergitterten Wagen warf.
    »Unser Junge –« sagte Erna kläglich. Dann kippte sie zur Seite auf die Couch und verlor die Besinnung.
    In der Nacht noch raste Ewald Kurowski über die Autobahn nach Frankfurt.

19
    Im Zimmer des Direktors des Untersuchungsgefängnisses traf Kurowski auf Franz Busko. Auch er hatte im Fernsehen Peter bei der blutigen Demonstration gesehen, und da seine Partei zu der Institution gehörte, gegen die eine progressive Jugend jetzt mit Gewalt vorging, hatte er sich sofort mit einem Dienstwagen an den Tatort bringen lassen. Als MdB erhielt er auch sofort Zutritt und durfte Peter Kurowski in der Sprechzelle sehen. Von zwei bewaffneten Beamten, mit Handschellen gefesselt, wurde er vorgeführt … er hatte nach seiner Festsetzung die Zelle bis auf alles, was unzerstörbar war, zu Kleinholz gemacht. Trotzig blieb er vor dem Stuhl und dem Tisch stehen, und die barsche Aufforderung: »Setzen!« überhörte er einfach.
    »Was willst denn du hier?« fragte er Franz Busko in einem geradezu beleidigenden Ton.
    »Ich bin gekommen, bevor dein Vater auftaucht. Ich nehme an, er ist auf dem Weg nach Frankfurt. Wieso machst du jetzt Revolution und verleihst keine Huren mehr?«
    »Das eine ist Geschäft, das andere eine Ideologie. Warum kniest du jeden Sonntag in der Kommunionbank, damit deine Wähler das sehen, und hast in Godesberg ein Appartment für deine Sekretärin eingerichtet? Von unseren Steuern!«
    »Ich bin Direktor der ›Westschuh‹«, sagte Busko steif. Er hatte sich freigeschwommen, wie Kurowski es nannte. Von dem ostpreußischen Schuhmachergesellen war nur noch der Name und im vertrauten Kreis die breite Sprache übriggeblieben … sonst hatte sich Busko vollends gehäutet, trug Maßanzüge, glänzte mit Schlagwörtern, die ihm Sitz und Stimme in einigen Bundestagsausschüssen einbrachten, und galt als der kommende große Mann seiner Partei. Er steht mitten im Volk, hieß es von ihm. So etwas brauchen wir. Theoretiker gibt's genug. Aber der Busko versteht die Wählerschaft, und die Wählerschaft versteht ihn … wo gibt es so etwas Ideales sonst noch bei den Volksvertretern? Außerdem gehörte Busko keinem Interessenverband an – auch nicht der Vereinigung der Schuhmacher –, vertrat keine Lobby und war deshalb geradezu märchenhaft unabhängig und liberal. So etwas kann man mit dem Mikroskop suchen, – eine Lupe reicht schon nicht mehr!
    »Hast du einen Wurm im Hirn?« fragte Busko direkt. »Ein Kurowski als Revolutionär? Mit einer Hure im Gepäck und einem Sack voll Rauschgift! Peter, schämst du dich nicht?«
    »Nein! Schämt sich unser Staat, solch ein Scheißstaat zu sein? Ich habe eine Mieze, gebe ich zu … aber der Staat besteht nur aus Hurerei. Der geht mit jedem ins politische Bett, wenn's nur Nutzen bringt! Ich will verhindern, daß 60 Millionen sich ankotzen, wenn sie in den Spiegel schauen!«
    Man kam zu keiner Einigung. Peter beschimpfte Busko, Busko beschimpfte Peter, bis der Oberwachtmeister eingriff und fast jovial sagte:
    »Herr Bundestagsabgeordneter, es hat doch wirklich keinen Zweck. Ich führe das Rindvieh zurück in seine Zelle. Mit diesen Typen kann man einfach nicht diskutieren. Die lassen im Hirn eine Platte ablaufen, weiter nichts.«
    »Ich habe ausgerechnet, daß in zwanzig Minuten dein Vater hier sein wird. Was dann passiert, kannste dir ja denken«, sagte Busko und stand auf. »Und Ludwig wird auch kommen.«
    »Der Herr Dr. med. in spe kann mich am Arsch lecken!« schrie Peter wild.
    »Kaum. Er wird sich doch nicht den Appetit verderben.« Busko hob resignierend die Schulter. »Wo willst du überhaupt hin, Peter?«
    »Zur Weltrevolution!«
    »Ein bißchen viel, findest du nicht auch?«
    »Wir schaffen es. Die Zeit ist reif. Wenn Typen wie du das Volk regieren, ist der ganze Staat faul!«
    »Und dann wird – wenn ihr regiert – in jede

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