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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Pauls Schlafsack ausließ (an die Paula in jener letzten Nacht nicht mehr hatte herankommen können; immerhin hatte sie daran gedacht, ein paar von ihren Kleidern wegzuwerfen), und danach rief er noch einmal ihre Erzieherin in den Zeugenstand. Miss Briggs gehörte zu denjenigen, die an jenem letzten Nachmittag gekündigt hatten.
    ANKLÄGER BAYLOR: »Miss Briggs, ich möchte Sie gern nach dem Kleid fragen, das die Tochter Ihres früheren Arbeitgebers jetzt anhat. Sie können es doch deutlich sehen, nicht wahr?« (Allgemeines Verrenken von Hälsen.) »Ist das eins ihrer normalen Schulkleider?«
    MISS BRIGGS: »Ja, Sir.«
    BAYLOR: »Und sehe ich richtig, wenn ich sage, daß es kürzer gemacht worden ist?«
    MISS BRIGGS: »O ja, Sir. Miss Paula ist sehr klein.«
    BAYLOR: »Ich verstehe. Der Rock wurde gekürzt, und vielleicht wurde es auch an den Hüften und um die Taille ein wenig enger gemacht, damit es besser paßte?« (Vielsagende Gesten.)
    RICHTER DYSON: »Ich verstehe nicht, wo diese Fragen hinführen sollen?«
    BAYLOR: »Euer Ehren, es geht mir darum, zu zeigen, daß es offenbar üblich war, die Kleider dieses Kindes umzuändern, damit sie ungewöhnlich eng wurden und verführerisch wirkten, wie Euer Ehren sich vielleicht selbst überzeugen können.«
    RICHTER (mit abwesender Miene): »Abgelehnt.«
    An diesem Punkt ergriff Paula selbst das Wort. Ihre junge Stimme klang so hell und klar und entrüstet, daß Dyson seinen Hammer in der Luft schweben ließ, während sie ihre Worte heraussprudelte: »Ich bin nicht verführerisch – ich bin nur peinlich berührt! Ich bin ein Stück gewachsen, während ich auf die Verhandlung gewartet habe, und ich habe niemanden, der mir meine Kleider näht!«
    Das hätte vielleicht einleuchtend geklungen.
    Aber Paul wählte ausgerechnet diesen Augenblick, um zusammenzuklappen, und in den nächsten drei Minuten herrschte im Gerichtssaal ein Chaos von Blitzlichtern, umgeworfenen Stühlen und dazwischen Northrup, der schrie und schnatterte, und Baylor, der zurückschrie, und der Hammer des Richters, der vergeblich auf- und niedersauste – und das alles genau zur richtigen Zeit für die Abendausgabe der Zeitungen und die Nachrichten im Fernsehen, an einem sonst ereignislosen Tag.
    Die Schlagzeilen reichten von dem verhältnismäßig gesitteten MARRELL TECH-CHEF GIBT INZEST ZU, über das farbige MARRELL GESTEHT, ZEHNJÄHRIGE TOCHTER VERFÜHRT ZU HABEN, bis hin zu »GOTT STEH MIR BEI, ABER ICH KANN DIE FINGER NICHT VON IHR LASSEN«, RUFT PAPA, »ICH WÜNSCHTE, ICH WÄRE TOT!«
    Und als Paula zu ihm laufen wollte, um ihn zu trösten, war das ein gefundenes Fressen für die Fotografen: Paula eilt zum Vater, der sie verführt hat – Paula Marrell kämpft mit der Polizei, um den Vater nach seinem Geständnis zu trösten – Paula stürzt sich trotz Polizei in Papas Arme – mit voller Sicht auf ihr knappes weißes Kleinmädchen-Unterhöschen, als sie, allzu fachmännisch, mit einer Hand durch das Gitter griff, hinter dem der Angeklagte saß.
    Sie hatte das dumme Kleid vergessen, sonst hätte die klassische Jagd durch den Gerichtssaal bestimmt länger gedauert, als sie es tat. Ein Foto von Paula, wie sie zwischen den Beinen eines dicken Polizisten hindurchkriecht, wurde zum Sammelobjekt.
    Der Rest der Verhandlung war nur noch eine Farce.
    Der arme Northrup zog sich ›aus Gründen der Gesundheit‹ zurück, und seinen Junior-Anwälten gelang es, ein medizinisch-psychiatrisches Gutachten einzubringen, auf Grund dessen eins der neuen und kontroversen ›psychotherapeutischen‹ Urteile für Paul heraussprang.
    Was Paula betraf, so schien sie einen klaren Kopf zu bewahren. Die explosive Szene im Gerichtssaal hatte vielleicht eine reinigende Wirkung. Ebenso lehrreich war für sie die Tatsache, daß Nicky Bensons Name während des ganzen Spektakels nicht ein einziges Mal genannt wurde. (Nur eine einzige – unterdrückte – Reporterin brachte ›James N. Benson-Flitch, Kläger‹ mit dem Nicky Benson, der gerade bei Nippon/Sterling Karriere gemacht hatte, in Verbindung.) Paula beschloß, nie wieder allein und offen gegen die Welt anzutreten.
    Und als sich der Staub dann wieder gelegt hatte, hätten die Dinge nicht schlimmer sein können. Paul war außer Reichweite, mußte in einer Institution in Tehatchapi mit geringen Sicherheitsvorrichtungen Gott weiß was alles über sich ergehen lassen. Miss Emstead befand sich auf dem Wege der Besserung, durfte aber weiterhin pro Woche nur eine einzige

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