Aus dem Überall
wand nach draußen zu zerren.
Vielleicht war es reiner Zufall, daß Miss Emstead genau zu diesem Zeitpunkt eine ihrer seltenen Warnungen von sich gab.
»Paula, du darfst nie vergessen, daß es da draußen eine ganze Reihe kluger Köpfe gibt, und die wenigsten von ihnen meinen es gut mit dir. Es gibt noch andere Leute, die genau so intelligent sind wie du – ich gehöre nicht zu ihnen, aber es gibt sie. Manche sind vielleicht sogar noch klüger. Ganz egal, wie gut die Dinge zu laufen scheinen – es ist immer nützlich, sich ein paar Sorgen zuviel zu machen.«
Und sie erzählte Paula die Geschichte von dem Mann, der Stanley Steamers verkauft hatte. Der Stanley war eines der ersten Dampfautos, aber er wog viele Tonnen und war höllisch schwer zu fahren. In jenen Tagen bestanden die Autostraßen oft nur aus zwei tiefen Furchen. Als dieser Mann also in den Westen zog und seine Autos verkaufte, sagte er immer zu seinen Kunden: »Wenn Ihnen ein anderes Auto entgegenkommt, machen Sie sich bloß nicht die Mühe, aus der Furche rauszufahren, um ihn vorbeizulassen. Fahren Sie einfach weiter. Dieses Auto ist ein Monstrum; und wenn der andere Fahrer merkt, daß Sie nicht auf die Seite fahren, dann wird er mit seinem eigenen Wagen ausweichen und Sie vorbeilassen.«
Das war ein guter Rat und er funktionierte auch, bis zu dem Tag, an dem ein Stanley Steamer-Fahrer einem anderen Stanley Steamer-Fahrer begegnete.
Paula war das in ihrem ganzen kurzen Leben noch nie passiert – und wenn, dann hatte sie ihn jedenfalls nicht erkannt. Weil er ein Teil ihrer selbst gewesen war.
Ob es sich nun um eine tatsächliche, unwahrscheinliche Unachtsamkeit handelte, oder um den Ärger darüber, daß sie zum ersten Mal bei einem Test zwischen ihrer Macht und ihrem Charme versagt hatte, oder ob sie die Dinge einfach falsch einschätzte, aus reiner Ignoranz heraus – denn schließlich war sie ja noch ein Kind, und konnte nicht wissen, wie schwer Sitten und Gebräuche wiegen –, außerdem war alles schon so lange so gut gegangen, daß sie vielleicht wirklich nicht wissen konnte, was es zu bedeuten hatte, juristisch ziemlich minderwertig zu sein, so weit das die, sagen wir ruhig, Kontrolle über ihr Erbe betraf; nichts destoweniger: ob nun aus frecher Selbstüberschätzung oder aus einem Irrtum heraus – jedenfalls saß Paula eines Abends auf einer Party allein mit Nicky Benson zusammen.
Nicky Benson war ein noch jüngerer Mann von großem physischen und geistigen Charme. Es wäre möglich, daß Paula vielleicht vorübergehend vergessen hatte, daß Nicky Benson ein gläubiger Mormone und seine Frau Joan ebenfalls eine fanatische Anhängerin der Mormonen war. Aber es ist kaum anzunehmen, daß sie noch dazu vergessen haben könnte, daß Nicky gleichzeitig in leitender Position bei Nippon/Sterling angestellt war, Marrell Techs einziger ernsthafter Konkurrent in mehreren Bereichen.
Nicht zu übersehen war jedoch, daß Nicky, nachdem er zwanzig Minuten mit Paula allein verbracht hatte, mit vor Zorn gerötetem Gesicht unter seinen buttergelben Haaren abrupt die Party verließ. Die Einzelheiten erzählte er nur seiner Frau, der nichts Besseres einfiel, als sie in den CBS-Nachrichten verbreiten zu lassen. Zwei volle Tage lang, während Paul in Chicago weilte, geisterte der Ausspruch »Daddy zeigt mir, wie« kreuz und quer durch die gesamte Geschäftswelt und alle Gesellschaftsschichten und nahm bei jedem Weitererzählen immer kräftigere Farben und immer spezielleren Charakter an. Am Abend des zweiten Tags sprachen drei Angestellte des Hauspersonals gemeinsam ihre Kündigung aus, und Robby, der Hubschrauberpilot, legte ebenfalls seine Arbeit nieder. Das Telefon blieb unnatürlich still.
Paula verbrachte eine zunehmend trübselige und schreckensreiche Nacht; sie war, wie schon erwähnt, sehr schnell, wenn es darum ging, einen Gedanken weiterzuführen. Sie mag ein ganzes Stück erwachsener geworden sein.
Um drei Uhr früh beging sie eine der unbestreitbar ehrbaren Handlungen ihres kurzen Daseins. Sie rief bei Gloria Emstead an. Passenderweise tobten über San Juan gerade heftige Gewitter, und die Luft war voller Elektrizität.
»Hier ist Paula. Verkaufen Sie Ihre gesamten Marrell-Aktien!«
»Ich habe deine Stimme erkannt, Paula.« Miss Emstead hörte sich überhaupt nicht verschlafen an. »Würdest du, bitte, noch einmal wiederholen, was du gerade gesagt hast?«
»Ich sagte …« – die junge Stimme zitterte, hatte sich dann aber wieder unter
Weitere Kostenlose Bücher