Aus dem Überall
Kontrolle – »verkaufen Sie Ihre gesamten Anteile an Marrell Tech! Und auch die von Ihrem Mann.
Und sagen Sie es auch G-George Henry und den andern. Sie wissen schon. Tun Sie’s sofort, gleich morgen früh!« Die letzten Worte kamen schwankend und gingen fast im Tosen des Gewitters unter.
»Paula. Das werde ich dir nie vergessen, meine Liebe. Um die Wahrheit zu sagen, haben wir bereits verkauft; wir haben es nach und nach getan, damit man es nicht merkte. Aber das werde ich nie vergessen, daß du heute nacht angerufen hast.«
»Oh«, sagte Paula erschöpft. Und dann fragte sie mit kindlicher Stimme: »Wann haben Sie denn verkauft, Gl – Miss Emstead?«
»Wir haben schon vor einem Jahr damit begonnen. Und jetzt versuch, dich ein bißchen auszuruhen. Heb alles Bargeld, das du kriegen kannst, gleich morgen früh ab und steck es weg. Und merk dir diesen Namen – das ist eine Anwaltskanzlei – Armistead, Levy & South. Er gehört dazu, er ist …« – ein Blitz schlug in die Leitung. »Und jetzt – mach’s gut, Paula. Halt die Ohren steif, nichts dauert …«
Die Leitung war unterbrochen.
Am nächsten Morgen um neun sprang Paul aus dem Marrell Jet und hatte nichts anderes im Kopf als eine Fahrt in die Wildnis des Great Slave Lake. Zu seinem Empfang waren George Henry, ganz grün im Gesicht, und zwei äußerst höfliche Polizeibeamte, mit einem Haftbefehl, gekommen.
Das ganze nächste Jahr war höchst unerfreulich.
Paul wurde schon bald gegen eine Bürgschaft auf freien Fuß gesetzt, aber es war ihm untersagt, sich mit seiner Tochter in Verbindung zu setzen. Darüber wachte außerdem eine stets gegenwärtige Polizistin. Paula bemühte sich, sie um den Finger zu wickeln, aber die Katastrophe schien ihrem berühmten Charme geschadet zu haben; fast hatte es den Anschein, als hätte der ganze Streß dazu beigetragen, sie in die Kindheit zurückzuversetzen, die sie vorher nie gekannt hatte. Die Aufseherinnen Haggerty, Kelly oder Wyskof zerkauten schmatzend Paulas Likörschokolade, wie zufällig jene beiseite schiebend, die nach einem kurzen Aufenthalt in Paulas Labor einen etwas merkwürdigen Geschmack aufwiesen, und wachten schlaflos über Paula. Paula improvisierte eine ganze Reihe Museumsbesuche, bei denen sie drei quälende Stunden lang still dastand und sich den Anschein gab, in das eher abgeschmackte Tableaux vom Leben der Pueblo-Indianer vertieft zu sein; die Polizeifrauen standen ungerührt daneben. Paula verbrachte ganze Tage im Planetarium; die Aufseherinnen ebenfalls.
Die einzigen Nachrichten, die sie erreichten, waren unerfreulich. Paul hatte damit begonnen, unmäßig zu trinken. Und dann hatte Gloria Emstead einen Herzanfall, und als sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, untersagte man ihr jede geschäftliche Betätigung.
Der Prozeß war eine einzige Katastrophe. Irgendeine Stelle schien Druck auszuüben, so daß, trotz aller Proteste seitens der Marrells, die Gerichtsverhandlung im Beisein der Öffentlichkeit stattfand.
Paula konnte auch nicht verhindern, daß Mr. Northrup, der Leiter der Rechtsabteilung von Marrell Tech, darauf bestand, Paul persönlich zu verteidigen – mit wenig mehr als dem metaphysischen Glauben an die Unschuld seines Klienten. Er schien der Überzeugung zu sein, daß er den Leuten seinen Chef nur vorzuführen brauchte, und schon würde jedermann – wie durch eine Offenbarung – erkennen, wie absurd die zur Debatte stehende Anschuldigung war. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie etwas von Lolita gehört und ließ den Ausdruck ›Nympchen‹, den der Ankläger in seiner Eröffnungsrede gleich dreimal anbrachte, unwidersprochen.
Aber was noch schlimmer war: Er ließ Paula in ihrem Matrosenschulkleid auftreten, mit weißem Kragen und Stulpen, in dem sie geradezu zum Anbeißen aussah. Richter Dyson, der Lolita mit großer Gründlichkeit gelesen hatte, brauchte nur einen einzigen Blick auf sie zu werfen, um Mitleid mit Paul zu haben, der in seinem schrecklichen grauen Geschäftsanzug, in den Northrup ihn gesteckt hatte, ziemlich ausgemergelt und heruntergekommen aussah.
Während der ersten Unterbrechung schlenderte die Assistentin des Anklägers mit zusammengekniffenen Augen an Paula vorbei, die sich Mühe gab, gelassen dazusitzen. Als die Verhandlung fortgesetzt wurde, änderte Baylor, der die Anklage vertrat, unerwartet die Reihenfolge seiner Zeugen. Der letzte Zeuge war ein abstoßender Gutachter, der sich lang und breit über die Zusammensetzung der Flecken in
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