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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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erreichen. Eine wichtige Abweichung ist, daß diese Abwärtsströmung in den letzten Wintermonaten über Ostasien nach Norden zieht; und tatsächlich blieben die weiter südlich gelegenen Gebiete (Arabien, Westindien und Teile von Nordafrika) von Ausbrüchen verschont, bis die Abwärtsströmung vor kurzem wieder nach Süden zog. Eine ähnliche Abwärtsströmung gibt es in der südlichen Hemisphäre, und auch hier wurden auf dem 30. Breitengrad Ausbrüche beobachtet; diese Linie verläuft durch Pretoria und Alice Springs in Australien. (Aus Argentinien sind im Augenblick keine Informationen zu bekommen.)
    Diese geographische Korrelation muß berücksichtigt werden. Wir fordern deshalb, daß intensiv nach einer physikalischen Ursache geforscht wird. Außerdem empfehlen wir dringend, die bekannten Ausbruchgebiete mit den Windbedingungen zu korrelieren. Weiterhin sollten die sekundären Abwärtsströme um den 60. Breitengrad auf Ausbrüche beobachtet werden.
    (für die Minderheit unterzeichnet)
    Barnhard Braithwaite
     
    Alan grinste, als er den Namen seines alten Freundes sah, denn er schien der Welt die Normalität und Stabilität zurückzugeben. Es sah aus, als sei Barney trotz der Vorherrschaft der Betonköpfe auf etwas Wichtiges gestoßen. Er runzelte die Stirn und dachte nach.
    Dann veränderte sich sein Gesicht, als ihm einfiel, wie es sein würde, wenn er zu Annie nach Hause käme. In ein paar kurzen Stunden würde er sie in die Arme nehmen, ihren schlanken, heimlich wunderschönen Körper, von dem er so besessen war. Ihre Liebe war erst spät aufgeblüht. Sie hatten, glaubte er jetzt, damals dem Druck der Freunde nachgegeben und aus Freundschaft geheiratet. Alle hatten gesagt, daß sie füreinander wie geschaffen wären – er war groß und kantig und blond, sie war schlank und brünett; beide waren zurückhaltend und sehr kontrolliert. Intellektuelle. Die Freundschaft hatte die ersten Jahre überdauert, aber Sex hatte es kaum gegeben. Eine Notwendigkeit eben. Sie gaben sich gegenseitig Sicherheit und enttäuschten sich – das konnte er jetzt sagen – im Privaten.
    Aber als Amy zu krabbeln begann, hatte sich etwas verändert. Ein verwunschenes Tor zu ihrer Sinnlichkeit hatte sich langsam geöffnet, ein unverhoffter Zugang zu ihrem körperlichen Glück … es war schlimm gewesen, als er nach Kolumbien mußte. Nur weil sie einander so sicher waren, konnte er es aushalten. Und jetzt würde er sie bald zurückbekommen, doppelt begehrenswert durch die Würze der Trennung – fühlen-sehen-hören-riechen-tasten. Er rutschte auf dem Stuhl herum, um seine Erregung zu verbergen, halb hypnotisiert von seinen Phantasien.
    Und Amy, die wäre auch da; er grinste, als er sich erinnerte, wie sich der vorpubertäre Körper an ihn gedrängt hatte. Sie würde ein hübsches Mädchen werden. Seine Männlichkeit verstand Amy erheblich besser als die Mutter; mit ihr würde es kein intellektuelles Anschleichen geben … Aber Anne, seine kostbare schüchterne Anne, mit der er den Weg zur fast unerträglichen Transformation des Fleisches gefunden hatte … zuerst die höfliche Begrüßung, dachte er, die Neuigkeiten. Und dabei die unausgesprochene, köstliche, wachsende Erregung in ihren Augen, die Lichtreflexe; dann in ihr Zimmer, die fallenden Kleider, die Zärtlichkeiten, zuerst sanft – das Fleisch, die Nacktheit – das köstliche Necken, der energische erste Stoß …
    In seinem Kopf ging eine schreckliche Alarmglocke los. Er wurde aus seinem Traum geschleudert und sah sich benommen um. Dann fiel sein Blick auf seine Hände. Was mache ich mit dem geöffneten Klappmesser?
    Er tastete nach den letzten Fetzen seiner Phantasie und erkannte, daß die Bilder nicht nach Zärtlichkeit schmeckten, sondern nach einem zarten Hals, den er würgte – und der Stoß war ein Messer gewesen, das Organe suchte. In seinen Armen und Beinen waren Phantasien von Schlagen und Treten, und er hörte Knochen knacken. Und Amy…
    Nicht Sex. Blutdurst war es.
    Davon hatte er geträumt. Sex war dabei, aber er trieb eine tödliche Maschine an.
    Er steckte benommen das Messer weg und dachte immer nur die gleichen vier Worte: Es hat mich erwischt. Es hat mich erwischt. Was es auch ist, es hat mich erwischt. Ich darf nicht nach Hause fahren.
    Nach einer Zeit, die er nicht abschätzen konnte, stand er auf und ging zum United-Schalter, um sein Ticket umzutauschen. Die Schlange war lang. Während er wartete, klärte sich sein Bewußtsein etwas. Was konnte er

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