Aus dem Überall
Fledermäuse. Sie fressen Mücken und andere Insekten.« Sie pfiff erneut. Die größte Fledermaus landete auf ihrer Hand und leckte ein paar Tropfen Honig von ihren Fingern. Das Tier hatte ein winziges, unheimlich kompliziertes Gesicht.
Jakko entspannte sich wieder. Dieser Ort und seine seltsame Bewohnerin lieferten ihm bemerkenswerte Eindrücke, die er mit zum Fluß nehmen konnte. Er entdeckte ein schwaches Leuchten, das sich an der Grenze zwischen dem dunklen Himmel und dem noch dunkleren Meer bewegte.
»Was ist das?«
»Oh, der Seezug. Er fährt bis zur Fluß-Haltestelle.«
»Befördert er immer noch Menschen?«
»Nicht mehr. Komm, ich zeig ihn dir!« Sie sprang hoch und öffnete eine Konsole in der Ecke, doch im gleichen Moment ertönte in der Luft eine sanfte Computerstimme:
»Seezug Foxtrott Neun R an Station Juliet! Bitte kommen, Station Juliet!«
»Das ist seit Jahren nicht mehr passiert«, wunderte sich Pfirsichdiebin. Sie betätigte einige Kippschalter. »Station Juliet an Seezug! Ich höre. Gibt es Probleme?«
»Bestätigt. Wir haben einen Passagier an Bord, der vom Standardverhalten abweicht. Er/Sie erfüllt nicht die vorgeschriebenen Parameter. Erbitten neue Weisungen.«
Pfirsichdiebin überlegte eine Weile. Dann grinste sie. »Bewegt sich euer Passagier auf vier Beinen?«
»Bestätigt. Bestätigt.« Seezug Foxtrott klang geradezu erleichtert.
»Dann stellt eine Schale mit Fleischkost und eine Schale mit Wasser auf den Boden und kümmert euch nicht weiter um den Passagier! Juliet Ende.«
Sie schaltete aus, und sie beobachteten das ferne Lichternetz, das mit einem Tier an Bord den Horizont entlangglitt.
»Vermutlich ein Hund, der dem Geruch der Menschen folgte«, meinte Pfirsichdiebin. »Ich hoffe, er springt irgendwo ab …« Dann fuhr sie mit völlig veränderter Stimme fort: »Wir besitzen eine große genetische Vielfalt. Ich meine, du bist so hellhäutig und hast einen völlig anderen Körperbau als ich.«
»Das ist mir auch aufgefallen.«
»Es wäre eine gute Mischung. Voller Kraft.«
Sie sprach schon wieder davon, daß sie ein Kind wollte, daß er ihr ein Kind machen sollte. Ärger stieg in ihm auf.
»Hör mal, weißt du überhaupt, wovon du redest? Begreifst du nicht, daß du jahrelang hierbleiben und das Kleine aufziehen müßtest? Dazu wärst du ethisch und moralisch verpflichtet. Und die Flußorte nehmen rasch ab, glaub es mir! Vielleicht kämst du zu spät.«
»Ja«, erwiderte sie sachlich. »Jetzt, da er alle Menschen aufgesogen hat, verschwindet er. Aber ich will hierbleiben – im Ernst.«
»Es würde dir nicht gefallen, selbst wenn du es noch zum Fluß schaffst. Ich habe es bei meiner Mutterr erlebt. Sie merkte, wie ihre Energie schwand, wie ihre geistigen Fähigkeiten durch das lange Warten geschwächt wurden. Und ich – was geschähe mit mir? Ich müßte auch bleiben.«
»Nur einen Monat. Bis zu meiner nächsten Periode. Der männliche Partner ist ethisch nicht gebunden.«
»Ich weiß, aber ich finde das falsch. Mein Vater jedenfalls blieb. Er sagte zwar nie, daß er unter seinem Entschluß litt, aber meiner Meinung nach hat er gelitten.«
»Du mußt nur einen Monat bleiben«, wiederholte sie trotzig. »Ich dachte, du wolltest ohnehin noch eine Weile warten.«
»Stimmt. Aber ich will mich nicht binden. Ich möchte weiterwandern. Noch mehr von der Welt sehen. Nachdem ich meinem Vater Lebewohl gesagt habe.«
Sie stieß einen zornigen Laut aus. »Du verstehst es nicht besser. Du willst ja doch zum Fluß, du gibst es nur nicht zu! Du wirst genauso hingehen wie Mungo und wie Ferrocil.«
»Wer?«
»Leute, denen ich begegnete. Männer wie du. Mungo war letztes Jahr hier, glaube ich. Er hatte ein Luftauto. Er redete und redete und erklärte immer wieder, daß er bleiben wolle. Aber zwei Tage später zog er doch weiter. Zum Fluß. Das mit Ferrocil liegt länger zurück. Er kam zu Fuß. Bis er mein Fahrrad stahl.«
Das plötzliche Aufblitzen von Zorn erschreckte ihn. Sie schien eine eigenartig primitive Bindung zu ihrem Fahrrad zu haben – zu all ihren Dingen.
»Hast du sie auch gefragt, ob sie dir ein Kind machen?« Jakko bemerkte eine sonderbare Anspannung in seiner Stimme.
»Ich dachte daran – zumindest bei Mungo.« Plötzlich wirbelte sie herum und schaute ihn an. Ihre Augen leuchteten im Halbdunkel wie weiß umrandete Juwelen. »Hör zu! Ein für allemal, ich gehe nicht fort! Ich habe Leben in mir, ich bin ein Mensch, eine Frau! Ich werde auf dieser Erde
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