Aus dem Überall
und jemand hatte auf sämtlichen Feinskalen die Markierung Kurs in Richtung FLUSS angebracht. Jakko mußte nur noch die Zeiger einstellen.
»Nun sollst du auf Automatik umschalten!« las Pfirsichdiebin vor. Er tat es.
Der Start hatte den alten Mann sichtlich mitgenommen. Er schaute angestrengt in die Tiefe und murmelte unverständliches Zeug vor sich hin. Jakko fing ein paar Wortfetzen auf: »Die kühlen grünen Hügel der Erde … Quatsch!« Plötzlich sang er laut: »Gleich nebenan wartet ein verdammt schönes Universum – let’s go!« Und fiel erschöpft zurück.
Pfirsichdiebin beugte sich besorgt über ihn. »Ich möchte ihn wenigstens ein wenig säubern – aber er wirkt so schwach!«
Der Alte öffnete die Augen.
»Doch Liebe hat ihr Haus gebaut am Ort von Exkrement, denn nichts kann eins und alles sein, ein Riß hat es getrennt.« Er begann mit dünner Stimme zu singen: »Take me to the River, the bee-yew-tiful River, and wash all my sins a-way! … Du hältst mich für verrückt, Mädchen, nicht wahr?« fuhr er lässig fort. »Noch nie was von William Yeats gehört, hm? Hatte eine hohe Bit-Rate, dieser … dieser Yeats.«
»Ich glaube, das eine oder andere verstehe ich«, erklärte Jakko. »Eine meiner Tanten hat nämlich englische Literatur gemacht.«
»Literatur gemacht?« Der Alte schnob verächtlich. »Und ihr beide – ihr geht zum Fluß, um als Energiematrizen oder was ähnlich Eindrucks-und Geschlechtsloses in alle Ewigkeit vereint zu bleiben …? Für immer sollt Ihr lieben, soll Schönheit sie bewahr’n.« Er stieß ein Knurren aus. »Habe diesem Keats immer mißtraut. Ohne Saft. Der würde sich hier wohl fühlen.«
»Wir gehen nicht zum Fluß«, erklärte Pfirsichdiebin. »Ich zumindest habe nicht die Absicht. Ich will hierbleiben und Kinder machen.«
Der eingefallene Mund des Alten klappte auf. Er starrte sie entgeistert an.
»Nein!« hauchte er. »Ist das wahr? Bin ich auf die letzten Liebenden gestoßen – auf die Mutter der Menschheit?«
Pfirsichdiebin nickte feierlich.
»Welchen Namen trägst du, o Königin?«
»Pfirsichdiebin.«
»Mein Gott! Jemand, der noch Blake kennt!« Er lächelte schwach, und dann klappten unvermittelt seine Lider zu. Er war eingeschlafen.
»Er atmet leichter. Sehen wir uns um!«
Das Heck des kleinen Schiffs bestand aus einem Frachtraum. In der Nische, die den Speisen-Synthesizer enthielt, bemerkte Jakko, daß Pfirsichdiebin etwas in die Tasche schob.
»Was ist das?«
»Ein kleiner Löffel. Genau richtig für ein Kind.« Sie schaute ihn nicht an.
Als sie in die Passagierkabine zurückkehrten, überflutete der Sonnenuntergang die Welt unter ihnen mit rötlichem Licht. Das Luftschiff schwebte wispernd über weite, sonderbar schrundige Wiesen. Nur dann und wann hörte man das Pfeifen einer Düse, wenn es den Kurs veränderte.
»Sieh doch – Kühe! Das müssen Kühe sein!« rief Pfirsichdiebin. »Da, die Schatten!«
Jakko erkannte kleine braune Flecken mit grotesken, gehörnten Schatten, die sich über weite Flächen verteilten. Es waren eindeutig Tiere.
»Ich muß sie wiederfinden, wenn ich zurückkehre. Was ist das für ein Gebiet?«
»Ein großer Friedhof, glaube ich. Die Stätte, an denen sie die Toten eingruben. Ich habe noch nie einen von dieser Ausdehnung gesehen. In manchen Städten gibt es Bauwerke nur für die Toten. Glaubst du nicht, daß die Kadaver die Kühe verseuchen?«
»O nein, soviel ich weiß, ergibt das besonders gutes Gras. Die Hunde werden mir helfen, die Stelle wiederzufinden. Nicht wahr, Tycho?« Sie wandte sich an den größten Mondhund, der neben ihr kauerte und reglos in die Tiefe starrte.
An den Ostfenstern der Kabine sahen sie den Vollmond aufsteigen. Der alte Mann schlug die Augen auf und blinzelte in das Licht.
»Wasser, bitte!« krächzte er.
Pfirsichdiebin reichte ihm einen Becher und brachte ihn dann dazu, ein wenig Suppe aus dem Synthesizer zu schlucken. Er wirkte jetzt kräftiger und lächelte ihr zu. Seine Zähne waren halb verfault.
»Hör mal, Mädchen – wenn du hierbleiben und Kinder machen willst, weshalb gehst du dann zum Fluß?«
»Er geht hin, weil er versprochen hat, von seinem Vater Abschied zu nehmen, und ich begleite ihn, damit er auch wirklich zurückkehrt. Und mir das Baby macht. Aber jetzt will er die Pillen nicht mehr schlucken. Ich werde mir wohl doch einen anderen Mann suchen müssen.«
»Ach ja, die Pillen … Wachmacher nannten wir sie … Sie wurden notwendig, nachdem all diese
Weitere Kostenlose Bücher