Aus dem Überall
Zeugungschemie in Umlauf kam. Vielleicht sind sie auch heute noch nötig – für die Frauen zumindest. Aber ich glaube, das alles wird vom Kopf gesteuert. Warum wehrst du dich gegen die Dinger, Junge? Was ist los mit dem alten Adam?«
Pfirsichdiebin wollte etwas erwidern, aber Jakko schnitt ihr das Wort ab. »Ich kann für mich selbst sprechen. Sie regen mich auf, sie verwirren mich. Ich mache scheußliche, unbeherrschte Sachen, und ich fühle mich …« – Er schnitt eine Grimasse.
»Du klingst merkwürdig hitzig für einen, dem die eigene Ruhe mehr wert ist als der Fortbestand der Rasse.«
»Es sind diese Pillen, ich sage es doch: Sie – sie würdigen die Menschheit herab.«
»Würdigen die Menschheit herab!« spottete der Alte. »Und was weißt du von der Menschheit, Grünschnabel? … Das habe ich gesucht, deshalb bin ich so lange geblieben, umgeben von den uralten Dingen aus der Zeit vor den Flüssen! Ich wollte das Wissen mitbringen, wie die Menschheit wirklich ist … das ganze Wissen über die Menschheit! Es ist einfach, mein Junge. Sie ist tot!« Er atmete schluchzend ein. »Jeder einzelne Mensch ist tot. Früher lebten die Leute in dem Wissen, daß Verlust und Leid sie erwartete – und Erlöschen. Und das war schlimm für sie … Oh, sie hatten sich Mythen gebastelt, aber nur wenige glaubten echt daran. Der Tod stand hinter ihrem Handeln, lauerte überall. Das Alter und der Tod. Kein Entrinnen … Einige von ihnen verloren den Verstand, sie kämpften, töteten und versklavten ihre Mitmenschen zu Millionen, als könnten sie dadurch mehr Leben an sich binden. Einige gaben ihr kostbares Dasein für andere hin. Sie liebten – und mußten zusehen, wie jene, die sie liebten, alterten und starben. Und mit Schmerzen und Verzweiflung bauten sie auf, kämpften sie, und einige sangen! Aber mehr als alles andere liebten sie! Sie hurten, sie fickten, sie bumsten!«
Er fiel keuchend zurück und starrte Jakko mit düster flackernden Augen an. Dann, als er merkte, daß die jungen Leute seine altertümlichen Worte kaum verstanden, fuhr er deutlicher fort: »Sie haben Sex getrieben, versteht ihr? Kinder gezeugt. Es war ihre einzige Waffe. Etwas von sich selbst über den Tod hinaus in die Zukunft zu schicken. Der Tod war der Motor ihres Lebens, der Tod feuerte ihre Sexualität an. Der Tod trieb sie einander ins Messer und in die Arme! Im Sterben triumphierten sie … Das war Menschenart! Aber nun steht dieser mächtige Motor seit langem still. Und ihr nennt diese brave Parade unsterblicher Lemminge Menschheit …? Dabei läßt euch selbst die lauwarme Asche jenes uralten Brandes zurückzucken!«
Er fiel mit einem schrecklichen Keuchen in sich zusammen; Speichel tropfte ihm übers Kinn. Aus halbgeschlossenen Augen starrte er sie an.
Jakko stand wortlos da; gewisse Resonanzen in den Worten des alten Mannes erschütterten ihn. Er dachte an den toten Ferrocil und spürte, wie aus der Tiefe der längst verschwundenen Vergangenheit ein Ausläufer der Realität nach ihm griff. Pfirsichdiebin legte ihm eine Hand auf die Schulter und jagte Feuer durch seinen Körper. Sein Arm schien sich von selbst zu heben, ganz langsam, und seine Hand bedeckte die ihre. Er zog sie an sich, und sie standen da und beobachteten lange Zeit den alten Mann. Seine Miene wurde allmählich sanfter, und er fuhr mit leiser, spröder Stimme fort:
»Ich traue diesem Fluß einfach nicht … Ihr glaubt, daß euer Ich erhalten bleibt, nicht wahr? Daß ihr mit dem Geist, mit den Seelen der Menschen und der Geschöpfe von anderen Sternen in Kontakt sein werdet …? Der neueste Klatsch von Beteigeuze?« Er lachte rauh.
»Das jedenfalls sind die letzten Eindrücke der Menschen, wenn sie fortgehen«, erwiderte Jakko. »Jeder weiß das. Man schwebt hinaus, kann mit anderen Geschöpfen Wissen austauschen – kann sich frei bewegen.«
»Ja. Die Erfüllung unserer kühnsten Träume.« Er lachte wieder vor sich hin. »Aber ich frage mich – ist das nicht nur der Köder, der uns ins Innere einer Art kosmischen Wurstmaschine locken soll …?«
»Einer was?« hakte Pfirsichdiebin nach.
»Eine Maschine von einst, in der man verschiedene Fleischsorten ganz fein hackte und vermischte, bis sie als einheitliche Masse am anderen Ende wieder herauskamen … Vielleicht werdet ihr auch nach und nach kleingehackt und vermischt und zu einer Art Energie-Plasma zusammengerührt – damit man euch am anderen Ende wieder losläßt als die furchtbare Gabe der Erkenntnis –
Weitere Kostenlose Bücher