Aus den Papieren eines Wärters
und Eisen, der Rauch der Kamine stieg senkrecht in das Blei des Himmels. In den Wintern kam lautlos der Schnee als eine reine Decke, doch auch er wurde grau und schwarz. Niemand kannte den Hunger, es gab weder Reiche noch Arme, niemand war ohne Beschäftigung, doch drang auch nie das Lachen der Kinder an mein Ohr. Die Stadt umgab mich mit schweigenden Armen, die Augen ihres steinernen Gesichts waren leer. Nie vermochte ich das Dunkel aufzuhellen, das über ihr als eine dämmerhafte 107
Menschenferne lag. Mein Leben war sinnlos, denn sie verwarf, was sie nicht benötigte, weil sie den Überfluß verachtete, unbeweglich auf dieser Erde ruhend, umspült vom grünen Fluß, der in unendlicher Bewegung ihre Wüsten durchfloß und nur im Frühling manchmal anschwoll, um die Häuser zu bedecken, die an seinen Ufern lagen.
Erbaut, damit wir uns selbst am Grunde der Schrecken begegnen, lehrte sie mich, auch im Kleinen vorsichtig zu sein.
Wir sind Menschen, nicht Götter, die in einer Zeit leben, die sich wie keine auf das Foltern versteht. Wir brauchen immer wieder sichere Höhlen, in die wir uns zurückziehen können, und seien es auch nur jene des Schlafs, erst in den untersten Verliesen der Wirklichkeit werden uns auch die genommen.
So war es vor allem mein Zimmer, dem ich vieles verdanke, und in welchem ich immer wieder Zuflucht fand. Es lag in den östlichen Vorstädten, im Dachstuhl eines Mietshauses, das sich von den übrigen nicht unterschied. Die Wände waren zur Hälfte abgeschrägt und sehr hoch, nur durch zwei Nischen im Norden und Osten unterbrochen, in denen die Fenster waren.
An der großen, abgeschrägten Westwand befand sich das Bett und beim Ofen eine Kochstelle, auch waren noch zwei Stühle und ein Tisch im Zimmer. An die Wände malte ich Bilder, die nicht sehr groß waren, doch bedeckten sie mit der Zeit die Mauern und die Decke vollständig. Auch der Kamin, der mitten durch mein Zimmer ging, war von oben bis unten mit Figuren bemalt. Ich stellte Szenen aus unsicheren Zeiten dar, besonders die Abenteuer meines wilden Lebens, die Kriege, die ich im Kampf um die Freiheit mitmachte, auch die großen Atombombenangriffe waren aufgezeichnet. War kein Platz da für neue Bilder, fing ich an, jedes Bild von neuem durchzuarbeiten und zu verbessern. Auch kam es vor, daß ich in einer Art blinder Wut ein Bild wegkratzte, um es noch einmal zu gestalten, die trübselige Beschäftigung meiner öden Stunden.
Auf dem Tisch befand sich Papier, denn ich schrieb viel, 108
meistens sinnlose Pamphlete gegen die Stadt. Auch befand sich auf dem Tisch ein Leuchter aus Bronze, in welchem eine Kerze brannte, denn auch am Tage war das Licht schwach.
Das Haus aber, in welchem sich mein Zimmer befand, habe ich nie durchforscht. Wenn es auch von außen wie ein neuerer Bau aussah, so war es doch innen alt und zerfallen, mit Treppen, die sich im Dunkeln verliefen. Ich habe in ihm nie Menschen gesehen, obgleich viele Namen an die Türen geschrieben waren, unter ihnen auch der eines Sekretärs der Verwaltung. Nur einmal habe ich es unternommen, die Klinke einer Türe niederzudrücken, die unverschlossen war und in einen Gang führte, in welchem sich zu beiden Seiten Türen befanden. Es war mir, als vernehme ich von weither dumpfes Sprechen, worauf ich wieder zurückwich und in mein Zimmer ging. Das Haus gehörte der Stadt, denn oft kamen Beamte der Verwaltung, doch verlangten sie nie Mietgeld, als wäre ihnen meine Armut selbstverständlich. Es waren Menschen mit einem leisen Benehmen, oft Frauen darunter, in einfachen Straßenkleidern und Regenmänteln, und nie waren es die gleichen, die kamen. Sie sprachen von der Baufälligkeit des Hauses und daß die Stadt es abbrechen würde, wenn nicht die Wohnungsnot infolge der wachsenden Zahl der Fremden zu groß wäre. Auch kamen von Zeit zu Zeit Männer in weißen Mänteln, die Papierrollen unter dem Arm trugen und ohne ein Wort zu reden stundenlang mein Zimmer ausmaßen, worauf sie mit spitzen Federn in ihren Plänen kritzelten und Linien zogen. Doch waren sie nie aufdringlich und fragten nie nach meiner Herkunft. Ich verachtete sie und verbarg vor ihnen nicht einmal die Papiere, auf denen die Pamphlete standen. Sie kamen jedoch nur in mein Zimmer und nicht in die anderen Räume des Hauses, denn von meinem Fenster konnte ich beobachten, daß sie von der Straße zu mir heraufkamen und das Haus wieder verließen, wenn sie die Arbeit auf meinem Zimmer beendet hatten.
109
Auch fing ich
Weitere Kostenlose Bücher