Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
brutal ermordet. Er war mit Kabelbindern gefesselt und dann erschlagen und erstochen worden. Die vom Neffen gerufene Polizei fand die Leiche in Bauchlage liegend auf dem Sofa. Die Ermittler tappten zunächst im Dunkeln, bis durch entsprechende gerichtsmedizinische Untersuchungen klar war, dass zwei Finger des Ermordeten DNA-Primärspuren von Herrn M. in hoher Konzentration enthielten.
Herr M. und seine Lebensgefährtin, Frau W., waren die unmittelbaren Nachbarn von Herrn Sch. Herr M. war der Schwager von Herrn Sch. Seine mit Herrn Sch. verheiratete ältere Schwester war im Jahr 1994 verstorben. Beide waren als Flüchtlingskinder nach dem Krieg von Ostpreußen nach L. gekommen. Herrn M.’s Schwester blieb in diesem Ort und heiratete Herbert Sch., während der Bruder in den Westen ging und in Hamburg ansässig wurde. Dort heiratete er und hatte jahrelang eine gut bezahlte Stelle bei BP.
Die Ehe in Hamburg ging in die Brüche. Zu seiner Tochter, die aus dieser Ehe hervorging, und zu deren Tochter hat er aber bis heute ein sehr gutes und herzliches Verhältnis. Im Jahre 1989 wurde Herr M. in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Er bekam eine hohe Abfindung und monatlich eine gute Rente. Er tat sich mit einer früheren Klassenkameradin aus L. zusammen und siedelte sich in L. an. Er kaufte vom Ehepaar Sch. ein Teilgrundstück innerhalb ihres großen Grundstücks und baute darauf für sich und seine Lebensgefährtin ein Haus, das in den Neunzigerjahren fertig wurde. Von diesem Grundstück gab es einen direkten Zugang durch die Scheune zum Grundstück von Herrn Sch.
Aufgrund der DNA-Spuren wurde Herr M. am 2. Juli 2002 verhaftet. Nach neununddreißig Verhandlungstagen und über einem Jahr Haft wurde der Haftbefehl am 21. Oktober 2003 gegen ihn aufgehoben und er aus der Haft entlassen. Offensichtlich kam das Gericht bei der sich in die Länge ziehenden Verhandlung nicht weiter. Dann aber entschied der Vorsitzende Richter – und das sagte er öffentlich –: »Dann muss eben die DNA entscheiden.« Der DNA-Spezialist wurde ein zweites Mal gerufen, und offensichtlich wurde ihm mitgeteilt, dass Herr M. schwer verdächtig sei. Es ist anzunehmen, dass er nicht gefragt worden ist, ob die DNA-Spur den Mord erklären kann, sondern, wie die DNA-Spur unter der Voraussetzung, dass Herr M. den Mord begangen hat, zu erklären sei.
Hier sagte dann schließlich der Gutachter den Satz, den das Gericht hören wollte: Die DNA-Spur könne »in dem kraftvollen Aufstützen der Hand eines Täters auf die Finger des Opfers beim Zuziehen der Kabelbinder angesehen werden.« So zog sich diejuristische Schlinge um Herrn M. zu. Er wurde erneut verhaftet und schließlich am 9. Januar 2004 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Revision, ein erster Wiederaufnahmeantrag und jüngst ein zweiter Wiederaufnahmeantrag (Nov. 2010) wurden allesamt abgelehnt. Nach fast acht Jahren Haft ist Herr M. inzwischen 74 Jahre alt; er hat zwei Herzinfarkte hinter sich, und auch seine Familie leidet massiv unter der unerträglichen Situation.
Das Alibi
Herr M. hat für die Tatzeit ein hundertprozentiges Alibi: Seine Lebensgefährtin hat unter Eid bestätigt, dass er den ganzen Abend am 19. März 2002 wegen Rückenschmerzen zu Hause war. Deswegen hatte er sogar den Männerchor abgesagt. Er war an dem Tag auch bei der Ärztin gewesen, die ihm Spritzen gegen die Rückenschmerzen verpasst hatte. Frau W. wurde nicht geglaubt, ihre Aussage, hieß es, sei eine Schutzbehauptung.
Die Version des Gerichtes
Glaubt man dem Gericht, hätten Frau W. und Herr M. gelogen, ja, Frau W. sogar einen Meineid geleistet. Herr M. hätte trotz seiner Rückenschmerzen an diesem Abend seine Lebensgefährtin verlassen, sich in die Wohnung von Herrn Sch. aufgemacht, wäre dabei durch die Scheune, die zwischen beiden Grundstücken liegt, gegangen, hätte die große Schiebetür zum Hof von Herrn Sch. geöffnet, wäre durch den Hof gelaufen, dann in seinen Flur eingedrungen, hätte die Flurtür zum Wohnungstreppenaufgang aufgebrochen, wäre die Treppe hoch zu dessen Wohnzimmer gegangen, hätte den bereits schlafenden Herrn Sch. mit einem Gegenstand, der nicht identifiziert und auch nicht gefunden werden konnte, erschlagen, ihn mit einem Messer, das auch nie aufgefunden worden ist, erstochen, ihn mit Kabelbindern, von denen nie welche bei Herrn M. gefunden worden sind, gefesselt, hätte dann, um einen Wohnungseinbruchvorzutäuschen, eine Schranktür und zwei Schubladen aufgerissen, wäre
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