Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
Tyrann schimpfte, schlug, begrenzte ihre Lebensmittelvorräte und schaltete auch schon mal mehrere Tage lang den Strom im Keller aus, wenn er sich geärgert hatte. Die gottesähnliche Macht, die er dabei empfinden und voll ausleben konnte, dürfte ihn stark befriedigt haben. Josef Fritzl deutete trotz der offensichtlichen Notsituation seiner Tochter ihr entgegenkommendes Verhalten in seiner gefühlskalten Art so, dass sie im Grunde zufrieden war und sich in ihrer Rolle als »seine Ehefrau« offenbar mehr oder minder gut eingefunden hatte.
Mit ihr sprach er nach und nach weitestgehend offen und sah sie sogar als Vertrauensperson an. Die Gutachterin beschrieb diesso: »Dass die Beziehung zu der Tochter im Verlies die wohl vertrauensvollste im ganzen Leben des Herrn Fritzl gewesen sein dürfte, belegt das Faktum, dass er in völliger Verkennung der Dimension seines Verhaltens (…) offensichtlich davon ausging, dass seine Tochter auch im Falle eines Kontaktes mit der Außenwelt nichts unternehmen würde, um das Geschehene aufzudecken.«
Fritzl nahm also aufgrund seiner völligen Unfähigkeit, sich in die Gefühle anderer Menschen hineinzuversetzen, überhaupt nicht wahr, worauf das von ihm fälschlicherweise als vertrauensvoll wahrgenommene Verhältnis zu seiner Tochter in Wahrheit beruhte: Elisabeth wusste, dass sie und die Kinder ohne sein Wohlwollen in dem Kellerverlies sterben würden, was er ihr auch immer wieder klarmachte. Er behauptete unter anderem, dass er eine Vorrichtung in die Betontür eingebaut habe, die jedem, der versuchen würde, sie zu öffnen, einen tödlichen Stromschlag versetzen würde.
Die Vergewaltigungen von Elisabeth – bei denen er sie zur Verstärkung seiner sexuellen Erregung unter anderem fesselte, sie zwang, Szenen aus Pornofilmen nachzuahmen, und allerlei Sex-Utensilien an ihr ausprobierte – gingen all die Jahre auch in unmittelbarer Nähe ihrer Kinder weiter, als sei dies eben der normale Lauf der Dinge.
Für Fritzl waren seine »zwei Leben« völlig voneinander getrennt. Führte er das eine, so dachte er nicht an das andere. Insgesamt war die Situation für ihn sehr angenehm, denn mit der kleinen Familie im Keller, die ihn niemals verlassen würde, spürte er endlich nicht mehr die schrecklichen Gefühle aus der Zeit, als seine Mutter ihm als Kind deutlich gezeigt hatte, dass niemand ihn freiwillig lieben und bei ihm bleiben würde. Er schaffte es so wie gesagt, alles, was er sich je erträumt hatte, wahr zu machen: Wohlstand, beruflichen Erfolg, gleich zwei Großfamilien und vor allem einen Menschen, der sowohl seine extremen sexuellen wie auch gefühlsmäßigen Bedürfnisse notgedrungen erfüllte, ohne ihn jemals verlassen zu können.
Fritzl beschrieb seinem Anwalt gegenüber das, was er tat, mit den Worten: »Ich wusste dauernd, während der ganzen vierundzwanzigJahre, dass das, was ich tat, nicht richtig war, dass ich verrückt sein muss, weil ich so etwas tue. Aber trotzdem konnte ich nicht raus aus meinem zweiten Leben. Wenn ich oben war, war ich ganz normal. Ich hab voll funktioniert, Geld gemacht, meine Familie gut versorgt, und ich hab bewusst nur an unten gedacht, wenn ich für meine Zweitfamilie Besorgungen zu erledigen hatte. Aber irgendwann ist das alles auch ganz selbstverständlich für mich geworden, wie eben, dass ich im Keller meines Hauses ein zweites Leben führte, dass ich dort eine zweite Frau und unsere gemeinsamen Kinder zu betreuen hatte.«
Jose Fritzl genoss in vollen Zügen, dass wirklich alle seine Bedürfnisse erfüllt wurden. Zwischenzeitlich war er derartig entspannt und geradezu sorglos in seinen beiden Leben, dass er sogar 1998 alleine einen vierwöchigen Urlaub in Thailand verbrachte. Später erzählten englische Urlaubsgäste der Boulevardpresse, Josef Fritzl hätte sich in Thailand mit minderjährigen Stricherjungs umgeben. Sicher ist, dass er während des Urlaubs ein Abendkleid und Reizwäsche für eine schlanke Frau kaufte, was seinem Begleiter auffiel. Da Fritzls Ehefrau nicht schlank war, was der Begleiter wusste, behauptete Fritzl, er habe eine schlanke Geliebte. Damit war das Thema für den Begleiter erledigt.
Seine Familie im Keller deckte Fritzl während seiner Urlaubszeit notdürftig mit Lebensmitteln ein. Er sagte ihnen, für den Fall, dass ihm etwas passieren würde, hätte er eine Vorrichtung in den Keller gebaut, durch die sie nach einiger Zeit vergast werden würden. Vor Gericht behauptete er, er habe in Wirklichkeit nicht
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