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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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begriffen nicht recht, worum es ging.
    »Was? Ihr versteht nicht, was Hüpfen heißt!« »Dolmetscher, übersetz das!« »Froschhüpfen!« rief einer der Stubenältesten, während die anderen Gehilfen, der Blockälteste und die SS -Leute mit ihren Knüppeln über uns herfielen und blindlings drauflosdroschen. Ich bekam zwei Schläge auf den Rücken ab. Es tat weh, aber ich bemühte mich, weiter zu hüpfen. Allerdings fiel mir das immer schwerer. Ich war jung und ertrug diese »Übungen«, die sadistischen Exzesse des Blockältesten und seiner Helfer. Viele meiner Leidensgenossen hielten es jedoch nicht aus und fielen um. Und das war das Schlimmste. »Bewegt euch! Bewegt euch!« lautete nach wie vor der Befehl. Wer beim Hüpfen umfiel, wurde sofort von den wachsamen, übereifrigen Funktionshäftlingen verprügelt.
    Abb.  4
    KZ Auschwitz. Lagerblöcke.
    Weshalb, fragte ich mich, weshalb schlagen sie so auf uns ein? Sie sind selbst Häftlinge. Einige von ihnen sprechen polnisch. Und sie dreschen so verbissen auf uns ein, als seien wir ihre Feinde. Wahrscheinlich haben sie Angst vor den SS -Leuten, und daher rühren ihre wahnwitzigen Ausschreitungen gegenüber ihren Leidensgefährten – dachte ich. O ja! Macht in den Händen von Dummköpfen ist furchtbar. Sie steigt einem zu Kopfe. Das ungestrafte Verprügeln und Mißhandeln anderer, meist Gebildeter, verlieh diesen demoralisierten Gaunern Genugtuung. Dies waren keine politischen Häftlinge. Das betonte der Blockälteste selbst, der immer wieder schrie: »Verfurzte Intelligenz! Ihr verfault hier, ihr verfluchtes Pack. Aber vorher bring ich euch Ordnung bei, ihr Scheißsäcke!« Plötzlich befahl er: »Achtung! Alle in Reih und Glied! Nach rechts ausrichten! Aber dalli!«
    Die bunt zusammengewürfelte, durchgewalkte, verletzte Zugangsgruppe, in der ich mich befand, begann sich blitzschnell in vorschriftsmäßigen Reihen aufzustellen. Als die Kolonne des Zugangsblocks – von den Knüppeln der Funktionshäftlinge zurechtgestaucht – annähernd gleichmäßig aufgestellt war, ordnete der Blockälteste »Mützen ab!« und »Mützen auf!« an. Diesmal klappte es etwas besser. Zufrieden begnügte er sich damit, und durch den Dolmetscher befahl er: »Alle Juden und Priester vortreten!« Eine Gruppe von etwa fünfzehn Häftlingen trat aus der Reihe. Sie wurden angewiesen, sich an der Blockmauer aufzustellen. Erneut begann man, sie ins Gesicht zu schlagen. Die SS -Leute schlugen mit Handschuhen, der Blockälteste mit der bloßen Faust. Nach einer Weile wurden drei weitere Opfer von Funktionshäftlingen zur Blocktreppe geschleift. Wir waren zutiefst erschüttert. Ein junger SS -Mann wies den Blockältesten an, die Nummern derjenigen zu notieren, die die erneuten Schläge an der Mauer überlebt hatten. Nachdem die SS -Leute dem Blockältesten noch irgendwelche Befehle gegeben hatten, verschwanden sie. Einer der neben mir stehenden Häftlinge, der deutsch konnte, flüsterte mir zu: »Sie haben angeordnet, die Häftlinge jüdischer Abstammung in die Strafkompanie einzuweisen.«
    Anschließend wurde unsere Blockkolonne in Fünferreihen aufgestellt. Wir mußten marschieren. Erneut fielen Befehle: »Links, links, links, zwo, drei, vier …« Vor der Effektenkammer befahl man uns stehenzubleiben. Einer der Stubenältesten, ein Pole, war nicht so diensteifrig, sondern menschlicher als die andern. Er teilte uns mit, daß wir nun fotografiert würden, da am vorherigen Abend der Film ausgegangen sei. Mit ausgezogenen Holzpantinen betraten wir nacheinander das Gebäude. Jeder Häftling wurde vom laut herumschnauzenden Gehilfen des Fotografen in die Mangel genommen. Er notierte Lagernummer, Namen und Vornamen und schubste uns dann in einen Drehstuhl. Wir wurden von vorn, von der Seite und im Handprofil aufgenommen, einmal mit, einmal ohne Mütze. Der hinter dem Apparat stehende Häftling schrie: »Rühr dich nicht, du Hurensohn, sonst bekommst du eins in die Fresse!« Erschrocken setzte ich mich auf den Stuhl, der mir unter dem Hintern wegrutschte. Mit den Füßen konnte ich ihn irgendwie zum Stillstand bringen, und der Fotograf knipste seine Aufnahmen. Nach dem dritten Bild stach mich etwas ins Gesäß. Der Gehilfe des Fotografen versetzte mir einen Schlag an den Kopf, so daß ich wie geölt vom Stuhl flog. Ich schloß mich der außerhalb des Blocks stehenden Gruppe bereits fotografierter Häftlinge an und schnappte eine Weile nach Luft. In Gedanken fragte ich mich: Warum reden und

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