Aus der Hölle zurück
Häftlingsstand des Blocks. Der SS - Mann betrachtete die Häftlinge, schritt die Gruppe von links nach rechts ab, zählte die Zehnerreihen und befahl dann: »Mützen auf! Rührt euch!« Obwohl der SS -Mann, der Blockführer, die Stärkemeldung entgegengenommen hatte, standen wir weiterhin in Reih und Glied. Langsam wurde es hell. Aus dem nächtlichen Grau schälte sich ein trüber, bedeckter Tag heraus. Irgendwo weiter weg standen Gruppen von Häftlingen aus anderen Blocks. Von dort schallten laute Befehle zu uns herüber. Dann wurde es für eine Weile still, und schließlich – nach mindestens einstündigem Stehen – erreichte uns aus der Ferne der Befehl »Arbeitskommandos formieren!« Die Häftlingsgruppen der anderen Blocks liefen auseinander. Es erhob sich ein allgegenwärtiges Gewirr von Stimmen, Rufen und Schreien. Aus der Ferne hörten wir die Klänge eines Orchesters, das irgendeinen Marsch spielte. Ich sah, wie die angetretenen Häftlingsgruppen von den Aufsehern, den Kapos, gezählt wurden und dann zum Haupttor des Lagers aufbrachen.
Unser Block stand nach wie vor. Wir waren der Zugangsblock und vorläufig zu keiner Arbeit eingeteilt. Die Außenkommandos verließen das Lager, und die im Innern eingesetzten Kommandos begannen mit der Arbeit; sie füllten Löcher aus und ebneten das Lagergelände ein. Große Häftlingsgruppen waren mit dem Bau von Fundamenten oder neuen Blocks beschäftigt. Wir aber standen weiterhin da, traten auf der Stelle und scheuerten uns gegenseitig die Schultern, denn es war empfindlich kalt. Der Befehl »Wegtreten!« kam nicht. Schließlich erschien der Blockälteste (A. Pniok) mit seinen Gehilfen, begleitet von zwei SS -Leuten. Auch der Aufseher, der den Rapport abgenommen hatte, war da. Wir bemerkten, daß alle Funktionshäftlinge und SS -Leute Knüppel und Stöcke in den Händen hatten. Der Blockälteste sagte laut: »Der Blockführer hat festgestellt, daß ihr beim Appell die Mützen nicht richtig abgenommen habt. Zur Strafe – alle hinlegen!«
Wir fielen sofort zu Boden, einer über den andern. »Auf!« lautete der nächste Befehl des Blockältesten. Als wir ihn ausgeführt hatten, hörten wir: »Nieder!« Gleich darauf wieder »Auf!« und erneut »Nieder!« Und so ging es weiter, ein Dutzend Mal, viele Dutzend Male.
Trotz der Kälte wurde uns warm. Der Schweiß rann von der Stirn. Die Befehle aber gingen weiter. Die SS -Leute und Funktionshäftlinge wieherten vor Spaß. Das war erst der Anfang. Als wir gerade standen, wies der Blockälteste an: »Und jetzt aufgepaßt – Mützen ab!«
Abb. 3
KZ Auschwitz. Ausschnitt aus der Zugangsliste vom 22 . 11 . 1941 mit dem Namen des Autors ( 8 . Zeile von unten).
Das Abnehmen und das Klatschen der Hände mit den Mützen an den rechten Schenkel klappte nicht recht. Sofort gingen die Stubenältesten auf diejenigen los, die nicht rechtzeitig reagiert hatten. Sie zogen sie aus dem Glied und nahmen sie beiseite. Der nächste Befehl – »Mützen ab!« fiel nicht besser aus. Diesmal griffen sich die SS -Leute einige Häftlinge aus den Reihen heraus. Es waren vorwiegend ältere Leute. Der Blockälteste begann sie zu verhören. »Wer seid ihr? Wo kommt ihr her?« Als er erfuhr, daß es unter ihnen Juden und Priester gab, befahl er ihnen, sich entlang der Blockmauer in einer Reihe aufzustellen, und dann bekam jeder von ihnen einen wuchtigen Schlag ins Gesicht, und zwar so, daß der Delinquent mit dem Hinterkopf an die Blockwand prallte. Wir waren entsetzt. Der Schreck lähmte das Denken.
Bei den nächsten Befehlen bemühten wir uns, möglichst gleichzeitig mit den Mützen an den rechten Schenkel zu klatschen. Die aus der Reihe Herausgefischten standen weiterhin an der Mauer und mußten dort die unablässig fallenden Befehle ausführen. Vor Schreck nahmen sie die Mützen nicht richtig ab. Zwei von ihnen standen nach den nächsten Hieben des Blockältesten und der SS - Leute nicht mehr auf. Die Gehilfen quetschten das letzte Fünkchen Leben aus ihnen heraus und schleiften sie neben die Treppe zum Block. Die anderen kehrten ins Glied zurück, mußten aber in der ersten Reihe bleiben. Die Befehle fielen nach wie vor. Und wiederum fielen die aus der ersten Reihe auf, weil ihre Mützen nicht gleichzeitig klatschten. Nun begann der Blockälteste zu brüllen: »Ich werd es euch zeigen, ihr Hurensöhne! Rechts um! Abstand nehmen!« und »Hinlegen!« »Auf!« »Hinlegen!« »Auf!« »Alle machen Kniebeugen und Hüpfen!« Wir
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