Aus der Hölle zurück
waren. Das war die Mehlschwitze für die Suppe.
Danach hoben wir das Gefäß hoch, stützten es auf den Rand des Kessels und gossen den Inhalt hinein. Die Margarinewürfel hatten sich schon fast ganz aufgelöst. Jetzt ergriff Pietrek eine große Holzkelle für den Kessel und begann, die Suppe durchzurühren. Später befahl er mir, die Suppe mit der Kelle so umzurühren, daß nichts herausspritzte. Der Inhalt des Kessels mußte wieder zum Kochen gebracht werden. Ich legte also Kohle nach, machte die Ofentür etwas weiter zu und begann, das mehlbeschmutzte Geschirr abzuwaschen. Pietrek war zufrieden, daß er mich nicht zur Arbeit antreiben mußte.
Dem Kessel näherten sich zwei als Vorarbeiter eingesetzte Häftlinge. Es waren die Fähnriche des polnischen Heeres Tadeusz Chmura aus Krakau und Edmund Szymanek aus Poznań. Chmura gab mir die Anweisung, ich solle sofort in den Waschraum gehen, wo ich andere Kleidung bekäme. Wenn mich der Küchenchef in der gestreiften Kluft sehen würde, gäbe es vor allem für die Vorarbeiter Unannehmlichkeiten.
Ich ging in den Waschraum. Nach einem Bad unter der Dusche bekam ich frische Unterwäsche und weiße Drillichkleidung mit roten Streifen. Ich meldete mich bei Chmura, und der befahl mir, nach der Arbeit meine Nummer anzunähen. Dann sollte ich sofort Pietrek dabei helfen, die Suppe in Fässer und Transportkessel zu füllen. Ich lief zu meinem Meister, der gerade anfing, mit einer riesigen, an einem langen Stiel befestigten Kelle Suppe in eines der Fässer zu füllen. »Gut, daß du da bist«, begrüßte er mich. »Hilf mir mal, dieses verfluchte Faß an die Wand zu schieben.« Ich packte den Rand des Fasses auf der einen Seite und Pietrek auf der andern. Beim Vorrollen des Fasses spritzte mir etwas Suppe auf die Hand und verbrühte mich. Die Suppe war heiß. Rasch steckte ich die verbrühte Hand in ein Salzfaß.
Das Umfüllen der Suppe dauerte ungefähr eine Dreiviertelstunde. Unser Kessel hatte 500 l Fassungsvermögen. Außer vier 100 -l-Fässern füllten wir auch eiserne 50 -l-Kessel. Als wir damit fertig waren, steckte Pietrek einen direkt mit dem Wasserhahn verbundenen Gummischlauch in den Kessel und begann, das schmutzige Innere zu bespritzen. Er gab mir Scheuerlappen und Bürsten zum Ausscheuern der eisernen Kesselwände. Es dauerte einige Zeit, bevor der Kessel wieder richtig sauber war. Dann trug mir mein Meister auf, den Kessel mit Wasser zu füllen. Auf den Rosten unter dem Kessel sah ich nach dem Feuer und legte Kohle nach. Pietrek schraubte unterdessen den Deckel zu.
Abb. 8
KZ Auschwitz. Austeilung des Essens für die Häftlinge.
Es begann das »Teekochen«. In der Mittagspause traf ich Leszek. Er war überrascht und freute sich, daß es mir geglückt war, in die Küche zu kommen. »Sie haben dich wahrscheinlich anstelle des erschossenen Józek Lichtenberg genommen. Du bist zur rechten Zeit gekommen, denn Arbeit gibt es hier mehr als genug. Sie hängt einem bald zum Halse raus. Na, aber ich muß los«, verabschiedete er sich. »Vielleicht braucht mich mein Chef.« Leszek kochte an einem Extrakessel, den der Küchenchef persönlich beaufsichtigte. Er hieß Egersdorfer und hatte den Spitznamen »Onkel«. Von meinen Kollegen erfuhr ich, daß die Küche – außer vom Chef – von zwei diensthabenden SS -Leuten beaufsichtigt wurde, von Hoffmann (genannt »Bubi«) und Taube (dem die Köche den Spitznamen »Hammel« verpaßt hatten). Sie sagten mir, daß man sich vor ihnen in acht nehmen müsse, um nicht wegen eines Verstoßes aufzufallen. Vor allem nicht wegen Essens während der Arbeit.
Die Köche aßen dieselbe Suppe wie alle Häftlinge. Sie hatten nur den Vorteil, daß sie mehr von dieser Suppe bekommen konnten, und das hatte viel zu bedeuten. Mir wurde ein Platz am Tisch zugewiesen. Endlich konnte ich wieder an einem Tisch essen. Das ist ganz was anderes als während der Arbeit im Kommando, sagte ich mir, wo man die Schüssel Suppe im Stehen ißt. Wie oft lenkt doch ein Zufall das Schicksal des Menschen. Etwas Unglaubliches war Wirklichkeit, war Realität geworden. Mir schossen die verschiedensten Gedanken durch den Kopf, aber einer beherrschte alles – ich durfte nicht auffallen! Ich mußte wachsam sein, um das zu bewahren, was mir ein Glücksstrahl beschert hatte.
Das Kochen des »Tees« oder »Kaffees« (eine Ersatzmischung aus verschiedenen Blättern, meist Birkenblättern) beendeten wir gegen 15 Uhr. Es hing vom Bedarf, von der Zahl der
Weitere Kostenlose Bücher