Aus der Hölle zurück
ich kam. Die Tatsache, daß ich Pfadfinder gewesen war, nahm sie gleich für mich ein. Selbst Pietrek verfolgte verständnisvoll und großmütig meine ersten Schritte in der Küche. Er befahl mir, den Betonfußboden rings um den Kessel gründlich aufzuwischen, ihn sauberzuhalten und die in einer Reihe an der Wand aufgestellten Kessel und Fässer gewissenhaft abzuwaschen. Ich machte mich eifrig an die Arbeit. So, als wollte ich mich bei Pietrek entschuldigen, daß ich nicht nach einem Koch aussah.
Die an den anderen Kesseln angesetzten Häftlinge waren auf ähnliche Weise beschäftigt. Im allgemeinen sahen alle nicht übel aus; sie waren kräftig gebaut, stärker und größer als ich. Ich suchte Leszek unter ihnen, konnte ihn aber nicht entdecken. Unterdessen wanderte der Zeiger des Manometers bis zur Ziffer 3 und blieb beim roten Strich stehen. Ich öffnete kurz die Tür des Ascheraums und des Rostes. Die Temperatur pendelte sich auf demselben Stand ein. Als mehr als eine halbe Stunde vergangen war und kleine Dampfwölkchen unter dem Deckel des Kessels hervorstießen, rückte Pietrek einen hölzernen Hocker an den Kessel heran und machte diesen dann auf. Heißer Dampf schlug uns entgegen. Einen Augenblick lang konnte ich nichts erkennen. Pietrek langte nach einem großen Stampfer, der in einen eisernen Handgriff auslief, und begann die Kartoffeln im Kessel durchzustampfen. Als er erschöpft war, wandte er sich an mich. »Und jetzt mach du weiter. Probier mal, wie leicht die Arbeit in der Küche ist.« Ich ergriff den Stampfer und versuchte, die Kartoffeln zu zerquetschen. Aus dem Kessel stieg nach wie vor Dampf auf. Mir war unheimlich heiß, aber ich machte weiter, weil ich beweisen wollte, daß ich nützlich und stark war.
Plötzlich floß mir Blut aus der Nase – in den Kessel. Ich hörte auf zu stampfen. Pietrek hatte auch gesehen, was los war. »Na siehst du! Du bist nicht kräftig genug, du junger Spund. Gib den Stampfer her! Leg dir eine kalte Kompresse aufs Gesicht, dann vergeht das.« Ich legte den Kopf in den Nacken, damit das Blut nicht den Fußboden um den Kessel herum beschmutzte. Ich tränkte einen Lappen mit kaltem Wasser und drückte ihn mir an die Stirn, später auf den Nacken. Die Blutung hörte auf. Ich schämte mich, aber es war eben geschehen. Mein Meister, Piotr Przybylski, Nr. 8639 , war nicht gerade zufrieden. Er war aber ein guter Kumpel. Er bemerkte meine Besorgnis und meinte: »Na, na, verzag nur nicht gleich, Kleiner. Das hilft dir sowieso nicht. Du bist schwach, das stimmt.« Er blickte sich in der Küche um, ob kein SS -Mann da sei, und fügte hinzu: »Verzieh dich da hinter die Kessel. Hau dir was rein. Na geh schon, ich paß auf den Kessel auf!« Ich begriff nicht, worum es ihm ging, zog aber los und versteckte mich zwischen zwei gewaltigen Kesselwänden.
Unter einem kleinen Küchenschemel stand eine Schüssel, und darin … Kartoffelpüree. Daneben lag ein Löffel. Ich stürzte mich auf das Essen. Die Kartoffeln waren gesalzen und anscheinend etwas mit Zwiebel gewürzt. Für einen ausgehungerten Lagerhäftling war das ein Leckerbissen. Ich machte mir nicht einmal Gedanken, wann Pietrek die Kartoffeln aus dem Kessel geholt und zubereitet hatte. Im Nu war die Schüssel leer. Ich kehrte zu Pietrek zurück und dankte ihm. Er musterte mich und sagte: »Und jetzt paß auf! Nach dem Stampfen der Kartoffeln muß Wasser zugegeben werden. Hier, bis dahin!« Er zeigte mir die Marke im Innern des Kessels. »Gleich werden sie Mehl und Margarine ausgeben.« Pietrek lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme.
Unsere Tatenlosigkeit dauerte nicht lange. Den benachbarten Kesseln näherte sich ein kleiner Wagen, geschoben von einem großen, athletisch gebauten Häftling. Neben ihm stolzierte ein SS -Mann und überwachte die Ausgabe der Lebensmittel. Auf dem Wagen befanden sich mehrere Kartons Margarine und ein Behälter mit Mehl. Der Häftling hieß Szelest und war, wie ich später erfuhr, vor dem Krieg polnischer Landesmeister im Schwimmen gewesen. Kazimierz Szelest warf die Margarinewürfel direkt in den Kessel, und schüttete einige Schaufeln Mehl in die neben den Kesseln aufgestellten Handmaße. Er versorgte auch unseren Kessel. Als er mit dem SS -Mann vorbei war, zeigte mir Pietrek, wie das Mehl mit Wasser angerührt werden mußte. Er setzte den eisernen Stampfer in das Fäßchen und rührte so lange, bis sich das Mehl im Wasser aufgelöst hatte und alle Klümpchen verschwunden
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