Aus der Hölle zurück
der Köche war in zwei Schichten organisiert. Jeden zweiten Sonntag hatte ich »frei«. Ich konnte mich ins Lager begeben und mich mit Kollegen treffen. Wieczorkowski entdeckte ich ohne Mühe. Ihm und Szpryngier brachte ich heimlich Suppe aus der Küche mit. In unseren Gesprächen war uns am wichtigsten zu erfahren, was an der Front geschah. Die Deutschen waren unablässig im Vormarsch. Obwohl die Russen eine erfolgreiche Verteidigung organisiert und die deutschen Truppen vor Moskau zum Stehen gebracht hatten, gab es keine Aussicht auf eine rasche Beendigung des Krieges. Bei den Kämpfen in Afrika trugen die Deutschen noch Siege davon.
In unseren Gesprächen überlegten wir uns, wie man etwas aus der Küche herausschmuggeln könne. Beim Gang über den Appellplatz stieß ich auf Staszek (Stanisław) Bzowski aus Częstochowa, den Sohn der »Großmutter«, die mich seinerzeit von Krakau aus eskortiert hatte. Staszek, der früher verhaftet worden war als ich, sah sehr schlecht aus. Er war ins Kommando Buna-Werke gekommen, wo damals entsetzliche Bedingungen herrschten und beim Bau der Kautschukwerke in Auschwitz mörderisch gearbeitet wurde. Selbstverständlich vereinbarte ich mit ihm, wo und wann er in die Nähe der Küche kommen sollte, um Brot in Empfang zu nehmen. Von diesem Augenblick an trafen wir uns zwei, drei Mal in der Woche nach Einbruch der Dämmerung. Ich warf ihm vom Toilettenfenster des Magazinflügels aus ein Stück Brot zu und freute mich, als sich sein Aussehen nach einiger Zeit sichtlich verbessert hatte. Dann dachte ich an den Monat zurück, als mein Vater noch gelebt hatte. Ich überlegte mir, daß er wahrscheinlich noch leben könnte, wenn ich früher in der Küche gearbeitet hätte. Das Schicksal hatte es aber anders gewollt.
In der Küche lernte ich viele gute Kameraden kennen. Neben Pietrek Przybylski waren das Lutek Sobieraj, Andrzej Rablin, Józef Gryszkiewicz, Edward Liszka, Wiśniowski, Urbański und Styczyński – alle älter als ich. Sie verhielten sich mir und den gleichaltrigen Kollegen gegenüber sehr verständnisvoll und besorgt. Michal Piękoś (Spitzname »Bzum«) arbeitete gemeinsam mit Tadeusz Job (»Jarosławski«), Czajkowski und Szczudlik am Kessel nebenan. Er verstand es, mit seiner vitalen Fröhlichkeit unsere oft traurigen und bedrückten Gesichter aufzuheitern. Seine Witze nannten wir »Bzums«. Er sprühte stets vor witzigen Einfällen, die es uns leichter machten, die Mühen des endlosen Tages zu ertragen. Im Küchenkommando herrschte eine gute, solidarische Atmosphäre gegenseitigen Wohlwollens. Dies war vielleicht dadurch bedingt, daß die meisten in der Küche Beschäftigten ehemalige Soldaten von Widerstandsorganisationen und Pfadfinder waren. Ein Teil von ihnen gehörte zu den Häftlingen des ersten Auschwitz-Transports.
Sie hatten den schlimmsten Zeitraum im KZ Auschwitz hinter sich und wurden daher von den anderen voller Achtung und Anerkennung behandelt. Sie hatten nämlich mehr durchgemacht und waren länger gepeinigt worden, bevor man sie zu Köchen avanciert hatte. Zu dieser Gruppe gehörten E. Cyba, B. Dutka, M. Albin, A. Piotrowski, E. Golik, T. Niedzielski, K. Jędrosz, S. Łapiński und andere.
Im allgemeinen waren sich die Köche der Verantwortung und der Rolle bewußt, die sie ihren Kollegen gegenüber in diesem Todeskombinat zu erfüllen hatten. Durch den Umgang mit Lebensmitteln rückten sie in den Rang der privilegierten Häftlinge, der sogenannten Lagerprominenz, auf. Zu ihnen zählten hauptsächlich Blockälteste, Kapos, Schreiber und die im Arbeitseinsatz und beim Arbeitsdienst beschäftigten Häftlinge. Die Letztgenannten mußten keine schwere Arbeit verrichten. Sie waren nicht solchen Gefahren ausgesetzt wie die Köche, die neben ihren zahlreichen Pflichten die Verantwortung beim »Organisieren« von Lebensmitteln auf sich nahmen. Die Köche übten keine Aufseher- oder Verfolgerfunktionen aus. Daher beruhte ihr »Prominentencharakter« auf anderen Grundlagen und hatte andere Bedeutung. Sie traten anderen ihre Portionen ab und organisierten – oft aus eigenem Antrieb heraus und auf eigene Faust – Lebensmittel für ihre Freunde und Gefährten im Lager, die ihnen so manches Mal das Weiterleben oder gar das Überleben zu verdanken hatten.
Das gemeinschaftliche »Organisieren« von Lebensmitteln konzentrierte sich meist auf den Häftlingskrankenbau. Beteiligt war daran – aus verständlichen Gründen – nur ein kleiner Kreis von
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