Aus der Hölle zurück
Gefäße ab, die gefüllt werden mußten, wann wir fertig wurden. Manchmal dauerte es länger. Hin und wieder kochten wir sogar zweimal Suppe oder Tee. Nach dem Ablassen des »Tees« direkt von den Kesseln in die Behälter, die später in die Blocks wanderten, nach dem Saubermachen der Kessel und der Brennkammern darunter und nach dem Vorbereiten der Kessel für den nächsten Tag hatten die Köche Anspruch auf eine einstündige Erholungspause vor dem Appell. Das war die sogenannte Bettruhe.
Geweckt wurden wir sehr früh am Morgen. Ein Teil der Köche begab sich gegen vier, manchmal noch früher zur Arbeit in die Küche. Bis sechs Uhr mußte der »Tee« oder die »Avo« in den Kesseln gekocht sein. Das Abfüllen der Flüssigkeit in die Behälter und die Verteilung auf die Blocks erfolgte in schnellem Tempo. Die Häftlinge hatten vor dem Appell und dem Ausmarsch zur Arbeit einen halben Liter Flüssigkeit zu bekommen, der ihnen bis zur Mittagspause reichen mußte. Inzwischen traten die Köche zusammen mit dem ganzen Lager zum Morgenappell an. Erst nach dem Formieren der Arbeitskommandos kehrten sie an ihre Kessel zurück und setzten die Arbeit fort. Aus den Blocks und dem Krankenbau brachte der Ordnungsdienst Kessel, Fässer und alles mögliche Geschirr in die Küche. Die Köche wuschen diese Gefäße ab, um sie mittags beim Verteilen der Suppe wieder zu verwenden.
Ungefähr 20 000 Häftlinge mußten verpflegt werden. Kartoffel- und Gemüseschäler gab es 120 bis 150 , manchmal weniger. Das hing vom Bedarf ab. Auf langen Bänken saßen sie einander gegenüber und unterhielten sich leise. Zwischen ihren Füßen standen Körbe und Behälter für Kartoffeln, Rüben und Schalen. Sie schälten den ganzen Tag über. Andere Brigaden holten die Kartoffeln ab, brachten sie zu den Wasserbottichen und wuschen sie. Von dort wurden sie auf die Gefäße verteilt, mit denen sich die Köche einfanden. Je mehr Kartoffeln oder Rüben ein Koch mitnahm, desto dicker und gehaltvoller war die Suppe, die den ausgehungerten Magen sowieso nur betrog. Es gab zwar eine – von der SS -Kommandantur festgesetzte – Kartoffelnorm pro 100 l, aber sowohl der für die Kartoffelkammer zuständige Kapo, als auch die Köche waren bemüht, die Kessel mit möglichst vielen Zutaten zu versehen.
Die Menge der Rüben, selten waren es Mohrrüben, wurde von einem bei den Bottichen beschäftigten Häftling aufgeschrieben. Weil sich der Häftlingsstand jedoch tagtäglich änderte, wurde jeden Tag ein zusätzliches Quantum aus der Kartoffelkammer (Gemüsekammer) von den meisten Köchen benutzt, um die Qualität der Suppe zu verbessern. Dadurch waren die SS -Behörden gezwungen, die Lieferungen in das Lager zu erhöhen.
Ich bemerkte, daß die Chefs der Küche und der SS -Kommandantur angesichts des riesigen Zustroms neuer Häftlinge nicht imstande waren, die benötigten Lebensmittelmengen zu kontrollieren. Die Suppe hatte ohnehin keinen hohen Nährwert. Einmal in der Woche, manchmal auch einmal in zwei Wochen, gelangten Fleischreste, die die Lagerküche vom Schlachthaus bekam, in die Kessel. Aber das waren lächerlich geringe Mengen. Es waren die wenigen Fleischreste, die man von den ausgekochten Knochen abkratzte. Eine Schaufel Fleisch für einen 700 oder 500 -Liter-Kessel konnte den Kalorienwert nicht spürbar verbessern. Margarine, Grütze oder Mehl gelangten ebenfalls nicht täglich in denselben Mengen in die Kessel, weil der Küchenchef die »Rezeptur« für die Häftlinge willkürlich festlegte und gewisse Mengen an die SS -Küche abgab.
Nach einigen Wochen meiner Beschäftigung in der Küche erfuhr ich von den Machenschaften des Küchenchefs. Durch größere Erschießungs- oder Vergasungsaktionen (als Folge der Selektionen im Krankenbau) verursachte »Überplanbestände« an Lebensmitteln lieferte er nicht nur an die SS -Mannschaftsküche für die auf den Wachtürmen eingesetzten Soldaten, sondern auch zur Versorgung der SS -Offizierskantine. Auf diese Weise war er der Kommandantur gegenüber gedeckt und konnte machen, was er wollte. Diese Situation wurde von den Köchen ausgenutzt.
Die Stärkemeldungen, die der Küchenchef und der Kapo des Lebensmittellagers Leo (Leon Wierzbicki, Nr. 845 ) täglich aus der Lagerkanzlei bekamen, unterschieden sich von der tatsächlichen Belegung um 600 oder gar 1600 Mann. Diese Unterschiede entstanden im Laufe eines einzigen Tages. Morgens betrug der Häftlingsstand z.B. etwa 25 000 Mann, während es abends
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