Aus der Hölle zurück
keinen Gehilfen gehabt.«
Wir lachten alle und kehrten an unsere Arbeit zurück. Ich freute mich, daß es mir gelungen war. Etwas Angst hatte ich, ob mich nicht jemand verraten würde. Aber nein. Zu dieser Zeit gab es in der Küche keine Spitzel. Es hatten übrigens nur wenige Kollegen gesehen, was geschehen war. Das ganze Problem bestand eben darin, daß man ohne Zeugen »organisierte«. Man durfte sich nie hundertprozentig auf andere verlassen.
Einige Tage später erkrankten mehrere Köche an Typhus. Trotz der besseren Verpflegung, trotz der verhältnismäßig sauberen Stuben, in denen sie sich nach der Arbeit ausruhten, hatte die Epidemie auch sie erwischt. In den Häftlingskrankenbau wanderten Andrzej Rablin und Edward Liszka aus Krakau, später dann Genek Cyba und Mietek Albin. Unter der Bedienungsmannschaft der am nächsten stehenden Kessel gab es einen Häftling, den wir »Stahlschnauze« nannten – wegen seiner auffälligen Silberzähne. Das war Czajkowski, ein Offizier des polnischen Heeres. Er gehörte zu den erprobten, tatkräftigen Kollegen, die ihren Freunden im Lager halfen. Eines Tages wurde er zusammen mit Szczudlik, einem weiteren Koch, in die Politische Abteilung gerufen. Nachmittags erfuhren wir, daß man sie erschossen hatte. Kurze Zeit später wurde Maurycy Potocki, der erst nach mir ins Küchenkommando gekommen war, in den Block 11 gerufen. So wie die beiden andern, kehrte auch er nicht zurück. Das Privileg, essen zu dürfen, bedeutete nicht für alle das Privileg, am Leben zu bleiben.
Zwei Wochen später wäre es beinahe zu einer weiteren Tragödie gekommen. Aus dem Krankenbau bekamen wir die Nachricht, daß Rablin, Liszka, Cyba und Albin, die die Fieberkrise des Typhus überstanden hatten, sich aber vor Erschöpfung noch nicht rühren konnten, auf die Liste der zur Vergasung vorgesehenen Häftlinge gesetzt worden waren. In der Küche brodelte es. Schließlich waren es geschätzte, bei allen beliebte Kollegen. In die Bemühungen, den Küchenchef dazu zu bewegen, sich für sie einzusetzen, schalteten sich unsere älteren Kollegen ein, unter anderem A. Piotrowski, T. Chmura und L. Werwicki. Zuerst wollte der »Onkel«, unser Chef, überhaupt nichts davon hören, daß er vorstellig werden sollte. Aber die »Argumente« der Häftlinge, die seine Schwächen und Fehltritte kannten, bewogen ihn dazu, daß er sich persönlich zum SS -Arzt Entress begab und in letzter Minute, als die Lastwagen bereits am Infektionsblock 20 vorfuhren, um die unglückseligen Kranken abzuholen, die Zurückstellung der Köche erwirkte. Nach einiger Zeit konnten wir die Rekonvaleszenten wieder in unseren Reihen begrüßen. Wieder einmal hatten Solidarität und Kameradschaftlichkeit der durch dasselbe Schicksal miteinander verschworenen Menschen gesiegt. Die Freude über die Rückkehr der Geretteten war ungeheuer.
An Arbeit mangelte es in der Küche nie, und ständig trafen neue Transporte aus ganz Europa im Läger ein. Es überwogen die Insassen vieler jüdischer Ghettos. Kinder, Greise und Frauen füllten mit ihren Leibern die Gaskammern, die man inzwischen in Birkenau errichtet hatte. Obwohl man die dortige Küche ausgebaut hatte und in den Lagern einen Teil der von den Transporten mitgebrachten Lebensmittel aufbewahrte, gab es doch so viel davon, daß man beträchtliche Mengen ins Stammlager weiterleitete, vor allem Brot und Marmelade. Die Lagerkommandantur, der an der raschen Inbetriebnahme der Buna-Werke gelegen war, wies an, die mitgebrachten Nahrungsmittel in der Küche zu »Brotsuppe« zu verkochen. Sie sollte als Zusatzverpflegung für die beim Bau der Fabrik eingesetzten Häftlinge dienen. Langsam zeichnete sich ein Wandel in der Behandlung der Häftlinge ab. Die Arbeitskräfte mußten entsprechend verpflegt werden, wenn sie die von der SS festgesetzten Leistungen erbringen sollten. Erschießungen und Vergasungen gingen weiter, aber die Häftlinge, denen man – selbstverständlich vorübergehend – erlaubt hatte zu arbeiten, bekamen, wenn sie von der SS als Schwerarbeiter eingestuft waren, nach und nach Zusatzverpflegung in Form von Brot, Wurstzipfeln, Käse und verschiedenen Suppen.
Beim Kochen der Brotsuppe mußte man aufpassen, damit sie nicht anbrannte; sie mußte ununterbrochen gerührt werden. Obwohl die angelieferten Zutaten vorher kontrolliert wurden, waren im Brot manchmal Geldscheine und verschiedenartige Kleinigkeiten versteckt. Das Papiergeld schwamm dann oben auf der Suppe. Franken,
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