Aus der Hölle zurück
Gulden, Kronen, Pengös – das war kein Geld, das Interesse erweckt hätte, und so diente es als Feueranzünder für den Herd. Dollars gelangten seltsamerweise nicht in die Küche. Die SS -Kontrolle mußte sie früher beim Sortieren herausgefischt haben. Wertgegenstände stellten im Lager immer eine Gefahr dar.
Es gab aber Häftlinge, die dieses Risiko auf sich nahmen. Uns erreichten Mitteilungen über Kollegen aus dem Lager, die man mit aufbewahrten Wertsachen oder Geld erwischt hatte. Das wagten sowohl deutsche Funktionärshäftlinge als auch einige der höhergestellten Häftlinge anderer Nationalität. Oft endete ihr Versuch mit einem Verhör in der Politischen Abteilung, mit Einweisung in den Bunker oder in die Strafkompanie. Aber konnte man sich eigentlich darüber wundern? Einige Häftlinge, die schon länger im Lager waren, glaubten, daß sie nun nach so langer Zeit auch weiterhin durchhalten würden. Mit den riskanterworbenen Wertsachen wollten sie sich einen relativen Wohlstand in der Freiheit sichern. Darüber hinaus gab es verbotene Handelsbeziehungen unter den Häftlingen, bei denen das Motto »ich geb dir dies, du gibst mir das und das« das normale Vorgehen umriß. Dies nannte man die »Börse« oder den »Schwarzmarkt«.
Ich selbst war nur eine Schachfigur, zu jung, um die Erwachsenen, ihr Handeln und ihre Überlegungen zu verstehen. Von Kollegen erfuhr ich, daß einige ältere Häftlinge »für alle Fälle« Wertsachen anhäuften, denn es konnte ja sein, daß sie einem beim Transport in ein anderes Lager, bei vorfristiger Entlassung oder bei einer Flucht zugute kommen würden. Unter den Tausenden von Häftlingen gab es die verschiedensten Menschen, mit unterschiedlichen moralischen und ethischen Vorstellungen, oft im Widerstreit mit der Moral überhaupt. Vielen Häftlingen hatte die Gestapo bei der Verhaftung alles weggenommen, nicht selten den ganzen Besitz beschlagnahmt. Dasselbe geschah den Häftlingen jüdischer Abstammung. Zuerst hatte man sie in den Ghettos beraubt und dann bei der Einlieferung ins Lager. Man hatte ihnen alles abgenommen, und meist stammten die Wertgegenstände im Lager von ihnen. In Koffern, Kleidung, Brot oder Kosmetika versteckte Banknoten wurden früher oder später entdeckt – entweder von den SS -Aufsehern beim Sortieren (im Effektenlager »Kanada«) oder aber zufällig beziehungsweise beim genauen Durchsuchen von anderen Häftlingen.
Die Wunschträume einiger kreisten – außer um die Freiheit, dem kostbarsten Gut – um finanzielle und andere Mittel, die in Freiheit der Bequemlichkeit und der Sicherheit dienen sollten. Unter den Gegebenheiten des Lagers konnten diese Mittel das Leben zeitweise verlängern, manchmal bewahren, aber auch zugrunde richten. Trotzdem waren dies die Wunschträume einer sehr beschränkten, sehr kleinen Gruppe privilegierter Häftlinge, von Funktionärshäftlingen und einigen Lagerprominenten, vorwiegend Deutschen, in geringerem Umfang von Polen, Tschechen oder Juden. Die verschiedenartigsten Einstellungen, Verhaltensweisen und verwirrten Begriffe hatten Einfluß darauf, daß mein Bewußtsein reifer wurde. Meine Gedanken machten nicht bei goldenem Schmuck und grünen Banknoten halt. Aus meinem Elternhaus hatte ich die Überzeugung davongetragen, daß Geld nicht glücklich mache. Wahrscheinlich unterlag ich deshalb nicht der Versuchung, irgend etwas zu sammeln.
Es trafen immer mehr Häftlinge ein. Das wirkte sich auch auf die Arbeitszeit in der Küche aus, sie wurde länger. Aber dagegen war kein Kraut gewachsen. Die Häftlinge mußten essen, nicht zuviel und nicht zuwenig – so, daß sie zum Nutzen des »Dritten Reiches« und ihres Führers arbeiten konnten.
Eines Tages bekam ich von Chmura den Auftrag, gemeinsam mit Liszka, der in der Nähe von Pietreks Kessel arbeitete, einen kleinen Tisch in das Küchenmagazin zu bringen, den der Chef des Magazins brauchte. Ich war nie im Magazin gewesen, ausgenommen beim denkwürdigen Fortschaffen der Wurst. Ohne Genehmigung hatten die Köche dort keinen Zutritt. Wir stellten das Tischchen an der Wand ab. Im Magazin waren keine SS -Leute, nur Szelest, der Vertraute des Chefs. Er war damit beschäftigt, Mehlsäcke zu zählen. Liszka, der ihn von Krakau her kannte, sprach ihn an, ob es nicht etwas zu organisieren gäbe. Inzwischen zwinkerte er mir zu und deutete zu einem Tisch hinüber, auf dem abgepackte Margarinewürfel lagen. Ich zögerte keinen Augenblick und schob drei Stücke hinter den
Weitere Kostenlose Bücher