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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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Studenten an.
    Abb.  9
    KZ Auschwitz. Ausschnitt aus dem Stärkemeldungsbuch vom 20 .  6 .  1942 mit den Namen der im Lager verstorbenen Häftlinge, darunter der des Vaters des Autors (Zeile 15 ).
    Aber die SS -Behörden waren wachsam, sie hatten ihre Spitzel und Zuträger. Von Zeit zu Zeit wurden Verdächtige in die Politische Abteilung gerufen und kehrten oft nicht wieder zurück. Bestimmt waren sich auch die SS -Leute in der Küche darüber klar, daß die Köche Lebensmittel »organisierten«. Es war aber schwer, sie zu erwischen, denn die Gruppe der Küchenarbeiter bildete trotz unterschiedlicher Herkunft und Überzeugung eine Gemeinschaft, die sich untereinander bestens verstand. Zu dieser Gruppe gehörten im Prinzip ausschließlich Polen, nicht eingerechnet der Renegat Franz Nierychło. Irgend etwas mußte aber zu den SS -Behörden durchgesickert sein, denn im Herbst 1942 brachte Rapportführer Palitzsch eines Tages direkt aus dem Krankenbau einen Häftling namens Dorosiewicz in die Küche. Ihm ging das Gerücht voraus, er stehe im Dienste der Lager-Gestapo. Palitzsch befahl dem Chef, Dorosiewicz in der Küche zu beschäftigen. Doch die Köche nahmen sich in acht. Sie verfolgten nahezu jeden Schritt des neuen Häftlings. Sie gaben seine Äußerungen von Mund zu Mund weiter und beobachteten sein Verhalten. Er hatte damals gerade den Typhus überstanden, war abgemagert und entkräftet. Allein schon die Tatsache, daß er vom Vollstrecker der Todesurteile, Palitzsch, dessen Namen man nur flüsternd, voller Angst und Schrecken aussprach, in die Küche gebracht worden war, sagte genug.
    In der Küche herrschte eine etwas angespannte Atmosphäre. Alle bemühten sich, ihren Pflichten noch besser nachzukommen als bisher. Chmura und Szymanek verdoppelten ihre Aufmerksamkeit bei der Suppenausgabe. Aus der Befürchtung heraus, provoziert zu werden, wurde niemand in die Küche gelassen. Die Köche waren schließlich bestens erprobte, unter den Bedingungen des Lageralltags erfahrene alte Hasen. Unter den Augen von Dorosiewicz schafften Andrzej Rablin und Tadek Chmura mehrfach volle Kessel mit Zusatzsuppe für die Pfleger des Krankenbaus aus der Küche fort. Nach vier Wochen wurde Dorosiewicz zum Landvermesserkommando verlegt. In der Küche kehrte wieder die entspannte Atmosphäre guter Kameradschaftlichkeit ein.
    Mehrere Tage später fiel ich auf. Ich hatte mir von dem Berg des aus Birkenau in die Küche gebrachten Brotes – so, wie die anderen – ein kleines Stück Brot »aus der Freiheit« genommen. Es schmeckte eben anders, es roch nach Schwarzkümmel, gewöhnlichem Kümmel oder noch etwas anderem und hatte überhaupt den Geruch von Gebäck aus der Freiheit, nicht wie die lehmige Masse, aus der das Stück Lagerbrot bestand. Ich hatte ziemlich viel von meinem Stück gegessen und den Rest im Behälter am Kessel aufbewahrt. Nach dem Abfüllen der Suppe aus dem Kessel hatte ich mich flugs an das Scheuern gemacht und den Fußboden rings um den Kessel mit Wasser bespritzt. Dabei hatte ich nicht bemerkt, daß seitlich neben mir SS - Mann »Bubi« (Hoffmann) stehengeblieben war und zuschaute, was ich machte. Plötzlich trat er an den Kessel und fragte mich: »Und das, was ist denn das? Was hast du da versteckt?« Verwundert blickte ich auf, und erstarrte vor Schreck. Das Wasser, mit dem ich den Fußboden um den Kessel herum besprengt hatte, hatte den kleinen Brotrest aus dem Behälter nicht fortgeschwemmt. Dort lagen – von weitem zu erkennen – drei oder vier Krumen des nicht aufgegessenen Stücks. Der SS -Mann befahl mir, die Schublade des Behälters aufzumachen. Dort lag, wie zur Zierde, das Stückchen Brot. »Was hat denn das zu bedeuten? Mit welchem Recht wagst du es, Brot zu verstecken? Weißt du nicht, daß das verboten ist?« fragte er. »Jawohl, ich weiß das.« »Um so schlimmer für dich, wenn du es weißt«, meinte er und schlug mir mit voller Kraft rechts und links ins Gesicht. Als ich wieder Haltung angenommen hatte, schlug er noch zweimal zu, und als ich niederfiel, stieß er mich brutal mit den Füßen und zischte giftig: »Daß mir das das letzte Mal gewesen ist! Wenn ich dich nochmal erwische, fliegst du aus der Küche!« drohte er. Ich nahm vorschriftsmäßig Haltung vor dem SS -Mann ein und würgte ein »Jawohl!« heraus. Als er verschwand, pfiff Pietrek, der gerade vom Mittag zurückkehrte, verärgert durch die Zähne. »O Tadek, war das denn nötig?! Hast du das Brot nicht am Tisch essen können?

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