Aus der Hölle zurück
faschistischen Regime Hitlers einverstanden waren. Sie hatten die Macht innerhalb des Lagers übernommen und die »grünen«, deutsche Kriminelle, die sich wegen gewöhnlicher krimineller Verbrechen im Lager befanden, verdrängt. Diese Informationen erreichten uns über polnische Häftlinge, die in ihrer Freizeit an den Zaun des Kleinen Lagers herantraten und unter den Neueingetroffenen des Transports Verwandte oder Bekannte suchten. Wir kamen aus Polen. Es war also nicht verwunderlich, daß sich die polnischen Häftlinge, die schon seit Jahren in Buchenwald gefangen waren, gerne auf Gespräche mit uns einließen, obwohl das verboten war.
Abb. 10
KZ Buchenwald. Haupttor. 1945 kurz nach der Befreiung.
Am Zaun traf ich am dritten Tag Leszek Werwicki, der mit zwei Polen aus Poznań sprach. Ich freute mich über diese Begegnung. Der eine hieß Leszek Krzemieniewski, der andere Leon Woźniak. Beide arbeiteten als Gehilfen des Zahnarztes im Revier. Am nächsten Tag brachten sie jedem von uns eine Scheibe Brot. Im neuen Lager sogleich Unterstützung zu bekommen, war eine große Freude. Sie kamen ganz einfach wieder und brachten uns etwas zu essen. Sie fragten uns nach Auschwitz, was in Polen vor sich gehe, wie es an der Front aussehe usw. Sie wollten es nicht glauben, daß es in Auschwitz fünf Krematorien und Gaskammern gab. Buchenwald zählte ganze 12 000 Häftlinge, während in Auschwitz zum Zeitpunkt unseres Abtransports die laufenden Nummern für etwa 120 000 Mann verteilt worden waren. Doch wie viele hatte man ohne Nummern, ohne Registrierung und ohne Aufnahme in die Lagerkartei vernichtet? Das konnte niemand einschätzen.
Unsere Quarantäne sollte zwei Wochen dauern. In der Zwischenzeit machten die Auschwitz-Häftlinge die schlimmsten Totschläger und größten Halunken ausfindig, die unserem Transport zugeteilt worden waren. Im Nachbarblock 57 wurden zwei ehemalige Funktionshäftlinge aus Auschwitz gelyncht. In unserem Block 59 entdeckten meine Gefährten Mitas, einen Sadisten, eine entartete Kreatur, die vor dem Abgang des Transports Kapo der Strafkompanie in Birkenau gewesen war. Ich kannte ihn vom Block 10 her, wo er beim Entlausen Mithäftlinge in der Desinfektionslösung ertränkt hatte. Es fing ganz harmlos an. Jemand sagte laut im Block: »Achtung, der Bandit kommt!« Mitas, der den Block betrat, bekam nicht mit, daß er gemeint war. Unbekümmert ging er zu seiner Pritsche. Doch dort warteten schon vier kräftige Häftlinge auf ihn. Ich saß auf der oberen Pritsche und verfolgte, was weiter geschah. »Du bist deinen Kameraden gegenüber rücksichtslos gewesen. Du hast immer gesagt, du hättest keine Feinde, weil du sie alle umgebracht hättest. Daher wird jetzt das Urteil an dir vollstreckt«, sagte einer der vier.
Mitas begann zu flehen, man möge ihn in Ruhe lassen. Das alles sei ein Mißverständnis, denn er habe immer nur das Beste gewollt. Als er sich jedoch losriß, auf die Tür zustürzte und schrie, er werde sie bei der SS melden, da war im Block der Teufel los. Viele Häftlinge sprangen von ihren Pritschen, um es dem Verbrecher zu zeigen. Die vier packten ihn an Händen und Füßen und begannen seinen Körper abwechselnd auf den Fußboden und an die hölzerne Pritsche zu schmettern. Als sie erschöpft waren, warfen sie die bewegungslose menschliche Masse zu Boden, während andere von den Pritschen sprangen und ihn beinahe in den Fußboden des Blocks hineinstampften. Verbissenheit und blinde Wut, mit der die ehemaligen Opfer das Urteil an Mitas vollzogen, waren durch ihre Narben und Folgen der Mißhandlungen gerechtfertigt, die sie ihren Leidensgefährten zeigten. Andere hoben die Überreste des Körpers auf, schleiften sie zur Latrine und warfen sie hinein. Dem Blockältesten wurde gemeldet, Mitas sei ungewollt in die Fäkalien gefallen und darin ertrunken.
Ende März, Anfang April wurde unser Auschwitz-Transport in Arbeitskommandos aufgeteilt, und nach dem Morgenappell trieb man uns auf einen Wald zu, wo Bäume gefällt wurden und man die Trasse für ein Bahngleis von Weimar ins Lager absteckte. Der Weg zur Arbeitsstelle war ziemlich weit. Von den Kapo-Aufsehern erfuhren wir, daß wir beim Bau des Bahndamms und bei der Vorbereitung des Geländes für die Strecke eingesetzt würden. Ein Teil der Kommandos wurde zum Roden der Bäume angewiesen, ein anderer Teil zum Aufschütten des Bahndamms, und noch eine andere Gruppe schleppte Holz aus dem Wald herbei oder schaufelte Erde um. Wir
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