Aus der Hölle zurück
mitgebracht hatten. Tatsache war auch, daß einige von ihnen ziemlich schnell gar nicht so üble Posten in der Buchenwalder Lagerverwaltung übernommen hatten. Es wurde gemunkelt, daß sie sich mit dem Lagerältesten Friedrich Wolff geeinigt hätten. Er veranlaßte, daß mehrere Auschwitz-Häftlinge in der Schreibstube des Lagers und im Revier beschäftigt wurden. Verständlicherweise hätte ein Zugang im neuen Lager unter den neuen Bedingungen von vorn beginnen müssen. Schließlich gelang es nicht jedem, in ein gutes Kommando zu kommen. Manchmal war übrigens auch so ein »gutes« Kommando nur die Vorhalle zum Krematorium, wie zum Beispiel das Lagerrevier.
Eines Tages aber erfuhren wir, daß man ungefähr 30 der unseren, also der »Auschwitzer«, festgenommen und in den Bunker gebracht hatte. Unter den Verhafteten befanden sich die bekannten Auschwitzer Häftlinge Dr. Rajchman, Gabryszewski und Ciepielewski, ehemalige Funktionshäftlinge des Krankenbaus in Birkenau, das Mitglied des Lagerorchesters Nowacki, »Czamara«, die Gebrüder Millak und andere. Von den tschechischen Stubenältesten wurde uns berichtet, daß diese Mithäftlinge angeblich eine Verschwörung gegen die Lagerverwaltung geplant haben sollten, um einige wichtige Schlüsselpositionen im Lager zu übernehmen. Das war eine Sensation, eine Affäre. Für solche Häftlinge wie mich und meine Kameraden vom Eisenbahnbau und vom Bau der Fabrikhallen waren diese Gerüchte sehr nachteilig und wirkten sich verheerend auf die Einstellung uns gegenüber aus. Die Blockältesten und Kapos waren Deutsche, vorwiegend Kommunisten. Bisher hatten sie sich uns gegenüber korrekt verhalten. Sie hatten uns nicht so gequält wie die Funktionshäftlinge in Auschwitz.
Fertiggemacht wurden wir allein von der Arbeit, die die SS -Leute von uns erzwangen. In Buchenwald gab es keine Gaskammern, aber es gab den Bunker, den Stehbunker, das Revier und die Pathologie (wo die Haut ermordeter Häftlinge zu Menschenleder für Lampenschirme, unter anderem für die Frau des Lagerkommandanten, verarbeitet wurde). Es gab auch ein Krematorium und einen Experimentierblock. Darin bestand der Unterschied zu Auschwitz. Von dem Augenblick an, da man die Gruppe der ehemaligen Auschwitzer verhaftet hatte, änderte sich die Einstellung gegenüber jedem von uns. Bei den geringsten Disziplinverstößen und Verletzungen der Lagerordnung griffen die alten Buchenwalder Funktionshäftlinge jetzt schärfer und entschiedener durch. Daß man die Häftlingsnummern mit einem Winkel auf der Brust trug, das Kennzeichen des ersten Auschwitz-Transports vom März, war ein geradezu unglückseliges Omen. Es bewirkte sofort, daß man aufmerksam und gründlich unser Verhalten verfolgte – nicht nur bei der Arbeit, sondern auch nach der Arbeit, im Block, während der Freizeit.
An einem freien Sonntag traf ich mich erneut mit Werwicki, Krzemieniewski und Wozniak. Wir waren alle jung, und »draußen in der Freiheit« waren wir Pfadfinder gewesen. Wir erklärten unseren Buchenwalder Kameraden also offen und ehrlich, daß man zu Unrecht alle Auschwitzer irgendeiner Verschwörung bezichtige. Nicht alle hatten Gold und Dollars mitgebracht. Nur einige wenige besaßen derartige Werte. Daß der Lagerälteste Wolff tatsächlich von ihnen geschmiert worden war, um ihnen Funktionen zu übertragen, das war möglich, aber nicht überprüft. Krzemieniewski, der älteste von uns, faßte zusammen: »Wir sind hier sowieso nicht von Bedeutung. Das sind Auseinandersetzungen zwischen erwachsenen, älteren Häftlingen.« Er wandte sich an Leszek und mich und sagte: »Ihr müßt diesen Zeitraum überstehen, bis sich alles aufklärt!«
In unser Gespräch schaltete sich der Häftling Zdzisław Lewandowski, ebenfalls aus Poznań, ein. Er arbeitete im Block der sogenannten Pathologie. Er war der älteste von uns. Er hatte ebenso wie Leszek und ich das Paderewski-Gymnasium in Poznań besucht. Auch er riet uns sachlich und kühl, uns nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und zu versuchen, in unserer Arbeitsgruppe nicht unangenehm aufzufallen. Er berichtete, daß man Wolff ins Außenkommando geschickt habe und daß inzwischen Erich Reschke Lagerältester geworden sei.
Da »oben« war also irgend etwas los, wovon wir meist erst später erfuhren als die anderen. Lewandowski bat mich, einen kleinen Spaziergang mit ihm zu unternehmen, und als wir vor seinem Block angelangt waren, hieß er mich einen Augenblick zu warten. Ich wußte nicht, was er
Weitere Kostenlose Bücher