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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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meine Tochter der einzige Halt in meinem Leben. Alles andere ging den Bach runter – und ich konnte nur mir die Schuld daran geben. Indem ich das ganze Geld überwiesen hatte, hatte ich ihnen überhaupt erst ermöglicht …
    Doch zurück zu … Emily. Mit anderthalb Jahren bildete sie bereits einfache, aber interessante Sätze und schien genauso entzückt von mir zu sein, wie ich es von ihr war. Vielleicht lag es an meiner eigenen schwierigen Kindheit – aber ich schwor mir von Anfang an, meiner Tochter niemals Schuldgefühle einzureden und sie immer spüren zu lassen, dass sie das Beste war, das mir im Leben passieren konnte.
    Ob sie das als Baby mitbekommen hat? Nur ein völlig egozentrischer Elternteil kann sich so etwas einbilden. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, ob ich alles richtig machte. Ich wusste nur, dass ich jeden Moment mit meiner Tochter genoss. Sie machte nie Schwierigkeiten. Vielleicht beschloss ich auch, dass nichts, was sie tat, problematisch oder nervig war. Wenn sie die Milch umwarf, mich nachts wach hielt, schlecht gelaunt war und sich partout nicht von mir aufmuntern lassen wollte, kam ich immer gut damit klar. Doch was mich am meisten überraschte, war die Erkenntnis, dass mich nichts, was sie von mir wollte, überforderte. Dieses Gefühl war eine echte Offenbarung, denn es zeigte mir die Intensität meiner bedingungslosen Liebe zu diesem kleinen Mädchen, das zufällig meine Tochter war.
    Sie verkraftete meine Abwesenheit und machte nie Theater, wenn ich sie in der Krippe ablieferte. Wenn ich abends nach Hause kam, wackelte sie auf mich zu (später rannte sie) und rief erfreut: »Mommy da!«
    Julia erzählte mir ständig, wie reizend sie sei und wie einfach es wäre, sich um sie zu kümmern.
    »Sie ist wunderbar, weil Sie so wunderbar mit ihr umgehen«, sagte mir Julia einmal in ihrem nach wie vor holprigen Englisch.
    »Nein«, erwiderte ich. »Emily ist wunderbar, weil sie einfach wunderbar ist.«
    Mit drei Jahren griff sie nach Büchern und sagte Sätze wie: »Mommy liebt Bücher – und ich liebe Mommy.« Oder kletterte auf meinen Schoß, als ich zu Hause am Schreibtisch saß und Arbeiten benotete. Dann versuchte sie die Wörter zu entziffern, die ich gerade geschrieben hatte.
    Jedes Wochenende unternahm ich bewusst etwas Kulturelles mit Emily, das noch dazu Spaß machte. Wir gingen ins Naturwissenschaftliche Museum, in den Zoo und ins Museum of Fine Art (sie zeigte tatsächlich auf einen Rothko, der an einer der Wände hing, und sagte: »Schön«). Ja sogar in die Widener Library in Harvard, wo uns eine Freundin namens Diane, die für die Katalogisierung zuständig war, eine Führung durch das Bücherlabyrinth gab. Emily klammerte sich ängstlich an mich, als ihr Diane geduldig erklärte, wie die Bücher in die Regale gelangten. Und dass es Regale für Bücher mit Geschichten und Regale für Bücher über Dinge, die in der Vergangenheit passiert waren, gab. Regale für …
    »Ich schreibe auch Geschichten«, verkündete Emily plötzlich.
    »Das glaube ich gern«, sagte Diane strahlend.
    Wieder bekam ich zu hören, wie selbstbewusst und entzückend meine Tochter sei. An einem verschneiten Tag beschloss ich, nicht das Auto zu nehmen, und fuhr mit dem Zug zur Krippe. Während der Fahrt malte sie fröhlich in ihrem Sesamstraßenbuch herum und hielt manchmal inne, um mir ihre Bilder zu zeigen. Eine ältere Frau, die mir gegenübersaß, beugte sich tatsächlich vor und sagte: »Ich habe Enkel, die sich in der Öffentlichkeit einfach nicht benehmen können und ständig Ärger machen. Aber Ihre Tochter ist wirklich außergewöhnlich … Kompliment!«
    Ich weiß, das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Aber Emily brachte mich zum Schwärmen. Zum ersten Mal in meinem Leben gab es jemanden, der mir wichtiger war als alles andere. Auch das ist ein Klischee, ich weiß, aber deswegen nicht weniger wahr. Sie war die große Liebe meines Lebens.
    Ihr Vater hatte währenddessen Besseres zu tun. Seit ich 50 000 Dollar auf das Konto von Fantastic Filmworks überwiesen hatte, war Theo überwiegend abwesend. Mit meinem Geld mietete er zusammen mit Adrienne ein Büro unweit des Harvard Square für 1200 Dollar im Monat. Ich fand auch das ein wenig übertrieben.
    »Harvard Square ist die teuerste Adresse in ganz Cambridge«, sagte ich.
    »Und genau deshalb müssen wir dort sitzen. Laut Adrienne sind wir einfach nicht glaubwürdig für die großen Verleihfirmen, wenn wir von irgendeiner Bude unterm Dach

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