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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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sich Marlene Tucker.
    »Ich kann mich nicht erinnern, Sie irgendetwas gefragt zu haben, Mrs Tucker«, sagte Henderson.
    Marlene Tucker starrte eingeschüchtert zu Boden und ahnte wohl, was als Nächstes kam.
    »Mrs Woods?«, setzte er nach.
    »Ich könnte mir vorstellen, dass eine halbe Million, die gut in seltene Editionen investiert wird, der Anfang einer kleinen, aber feinen Sammlung sein könnte.«
    »Genau das wollte ich hören«, sagte er. »Soweit ich weiß, sind Sie auch Autorin, Miss Howard.«
    »Ich habe nur ein Buch geschrieben, Sir.«
    »Ein Buch bleibt ein Buch. Außerdem haben wir keinen anderen Bibliotheksmitarbeiter mit Ihren literarischen Qualifikationen, geschweige denn Ihrem Abschluss. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen die Leitung der Einkaufsabteilung anbiete – sowie die Verantwortung für den Aufbau einer Abteilung seltener Bücher?«
    Die darauffolgende Pause dauerte nur drei Sekunden. Hätte ich länger gezögert, hätte mich Henderson als schwach abgeschrieben. Wenn mich meine Zeit in der Finanzbranche etwas gelehrt hatte, dann, dass Männer wie Stockton Henderson auf Entschlussfreude stehen. Das bestätigt sie in ihrem manichäistischen, durch nichts zu erschütternden Weltbild, während Zweifel in ihren Augen auf zu wenig Rückgrat verweisen.
    »Dann würde ich Ja sagen«, erwiderte ich.
    »Fantastisch. Perfekt. Irgendwelche Einwände, Mrs Woods?«
    Geraldine Woods – die Marlene Tucker schon immer für eine Versagerin (und für jemanden, der höchst unkollegial war) gehalten hatte – musste sich sehr beherrschen, um nicht breit zu grinsen.
    »Keinerlei Einwände, Sir.«
    »Dann wäre das ja geklärt.«
    »Aber Mr Henderson …«, sagte Marlene Tucker. »Wir haben vereinbart, dass ich die Einkaufsabteilung leite, bis …«
    »Diese Vereinbarung, Mrs Tucker, beruhte auf der Annahme, dass Sie diesen Job beherrschen. Aber was haben Sie schon groß zustande gebracht, außer die Bürokratie am Laufen zu halten?«
    »Ich glaube nicht, dass das eine faire Beurteilung ist«, sagte sie.
    »Das kann ich mir vorstellen«, erwiderte Henderson. »Aber die Wahrheit ist selten angenehm. Sonst noch irgendwelche Fragen, Miss Howard?«
    »Soll ich Ihnen eine Liste mit möglichen ›Investitionen‹ in seltene Bücher erstellen, bevor Sie mit der Regierung sprechen? Ich könnte recherchieren, wie man die halbe Million Dollar am besten anlegt und wie sich diese Investition höchstwahrscheinlich auszahlt.«
    »Diese Herangehensweise lob ich mir! Ja, ich wüsste eine solche Liste sehr zu schätzen. Können Sie sie mir in einer Woche zukommen lassen?«
    »Kein Problem, Sir.«
    »Dann blasen wir ja alle ins selbe Horn, wobei das eher ein Spruch für die Musikabteilung wäre«, sagt er.
    Daraufhin lachten wir alle über seinen lahmen Witz.
    Sobald Henderson den Raum verlassen hatte, wandte sich Marlene Tucker an Geraldine Woods und sagte: »Ich werde diese Entscheidung nicht akzeptieren. Ich werde sie anfechten – selbst wenn ich dafür rechtliche Schritte einleiten muss …«
    »Das bleibt natürlich Ihnen überlassen, Marlene«, sagte Geraldine Woods, »doch dann würden Sie sich mit unserem Vorsitzenden anlegen, mit einem Mann, der es hasst, wenn man ihm widerspricht. Aber wenn Sie das unbedingt tun wollen – bitte sehr! Ich kann Ihnen versprechen, dass er Sie eher zum Büchereinräumen abkommandieren wird, als Ihnen einen netten, angenehmen Job in der Katalogisierungsabteilung …«
    »Die Katalogisierungsabteilung! Dort habe ich vor dreiundzwanzig Jahren angefangen!«
    »Nun, dann betrachten Sie es doch einfach so, dass Sie zu Ihren Wurzeln zurückkehren.«
    »Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen«, sagte Marlene und stürmte hinaus.
    Sobald sie den Raum verlassen hatte, seufzte Geraldine laut und gedehnt.
    »Gott sei Dank sind Sie in unser Leben getreten und haben uns vor dieser Frau gerettet.«
    »Das wollte ich nicht.«
    »Ich weiß, glauben Sie mir. Und Stockton Henderson weiß das auch. Sie haben sehr eindrucksvoll reagiert, als es darum ging, der hinterhältigen Bemerkung unseres Vorsitzenden etwas entgegenzusetzen. Ich fürchte, der ist einfach so.«
    »Bitte vergessen Sie nicht, dass ich eine Weile in der Finanzbranche gearbeitet habe.«
    »Oh, mir ist durchaus klar, dass Sie vielseitig begabt sind, Jane. Und ich bin mir sicher, dass Sie Ihren Job wunderbar machen werden. Dank dieser Beförderung steht Ihnen ein Jahresgehalt von 38 000 Dollar zu. Sobald wir die halbe Million bewilligt

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