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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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Frau?«, fragte der Polizist.
    »Wir arbeiten zusammen.«
    »Ist die immer so?«
    Vern tippte ihm auf die Schulter. Sie standen beide auf und flüsterten kurz. Dann ging der Polizist erneut neben mir in die Hocke und sagte: »Ihr Kollege hat mir versprochen, Sie nach Hause zu bringen. Er hat mir auch gesagt, dass das mit Ihrer Tochter stimmt. Das ist wirklich hart und tut mir sehr leid für Sie. Aber ich bin hier auf Streife – und wenn ich Sie noch einmal so auf dem Bürgersteig sitzen sehe, muss ich Sie in die psychiatrische Abteilung des Foothills Hospital einweisen lassen. Und das würde ich wirklich nur ungern tun, glauben Sie mir.«
    »Es wird nicht wieder vorkommen«, sagte Vern.
    »Gut«, meinte der Polizist. »Aber ich kann mich darauf verlassen, dass Sie sie nach Hause bringen?«
    »Ich gebe Ihnen mein Wort.«
    Der Polizist ging. Vern half mir auf, stützte mich und legte einen schützenden Arm um mich.
    »Sehen wir zu, dass Sie nach Hause kommen«, sagte er.
    »Ich gehe nicht nach Hause.«
    »Sie müssen nach Hause. Sie haben ja gehört, was der Beamte gesagt hat.«
    »Ich gehe nicht nach Hause.«
    Ich machte mich ganz steif und beschloss, keinen Schritt weiterzugehen.
    »Bitte, Jane«, flüsterte er. »Wenn der Beamte zurückkommt und uns noch hier sieht …«
    »Einen Drink«, sagte ich.
    »Wie bitte?«
    »Laden Sie mich auf einen Drink ein.«
    6
    Vern schob mich in die nächstbeste Bar. Sie lag schräg gegenüber der Central Public Library. Der Wind war schneidend kalt, und das Schneetreiben trübte die Sicht. Vern packte meinen linken Arm wie ein Rettungsschwimmer, der einen halb Ertrunkenen aus dem Wasser zieht. Wir taumelten mehr oder weniger in die Bar.
    »Puh«, sagte Vern leise, als er sich umsah. »Ziemlich nobel hier.«
    Die Bar war eigentlich ein Restaurant namens Julliard. Es gab Nischen. Vern führte mich zu einer. Eine Kellnerin kam strahlend auf uns zu.
    »Sie sehen aus, als könnten Sie was gegen die Kälte gebrauchen. Was darf es denn sein?«
    »Was möchten Sie?«, fragte mich Vern.
    Ich zuckte nur die Achseln.
    »Mögen Sie Rye Whiskey?«
    »Klar.«
    »Zwei Crown Royal pur und zwei Gläser Wasser extra«, sagte er zur Kellnerin.
    Als sie außer Hörweite war, beugte er sich vor und fragte: »Geht es Ihnen jetzt besser?«
    »Danke, dass Sie mich hergebracht haben.«
    Die Drinks kamen. Ich nahm das Glas und kippte den Whiskey auf einen Zug hinunter. Anders als die meisten Whiskeys brannte Rye nicht in der Kehle. Er hatte eine leichte Süße, schmeckte eine Spur nach Honig, was sofort wärmte. Ich setzte das Glas ab und wandte mich an die Kellnerin, die noch keine Zeit gefunden hatte, unsere Wassergläser vom Tablett zu nehmen.
    »Könnte ich bitte noch einen haben?«
    »Kein Problem«, sagte sie und fügte dann hinzu: »Sie müssen wirklich schwer gefroren haben!«
    »Wissen Sie, was ich an Kanada nicht ausstehen kann?«, sagte ich plötzlich zu Vern. »Diese verdammte Höflichkeit – und dieser ständige Babyton. Schwer … meine Güte … heftig … Scheibenkleister. Könnt ihr nicht anständig fluchen in diesem Land? Müsst ihr ständig so nervtötend höflich sein? Wissen Sie, was ich glaube? Ihr dreht dermaßen Däumchen, dass ihr nie richtig in die Gänge kommt. Da läuft im Radio ständig diese politisch korrekte Kacke mit Inuit-Obertongesang … und ihr wehrt euch einen Scheiß . Ihr wehrt euch kein bisschen . Ihr wehrt euch einen Scheiß . Ganz genau. Scheiße. Ich komme aus Amerika, und ich sage Scheiße …«
    Das Ganze brach in einer ziemlichen Lautstärke aus mir heraus, und um uns herum wurde es schlagartig still. Bevor ich verstand, was eigentlich los war, warf Vern Geld auf den Tisch und führte mich hinaus. Wieder hatte er mich am Arm gepackt. Er sagte nichts, aber aus dem Lebensrettergriff war der eines Polizisten bei einer Verhaftung geworden. Wir bogen nach links in die 8. Avenue ein.
    »Vor dem Palliser stehen immer Taxis«, sagte er.
    »Es tut mir leid. Es tut mir wirklich …«
    »Machen Sie sich keinen Kopf«, sagte er.
    »Ich habe mich da drin unmöglich benommen. Ich …«
    » Bitte , hören Sie auf«, sagte er mehr besorgt als wütend.
    »Na gut, na gut, bringen Sie mich einfach nach Hause und …«
    »Ich glaube nicht, dass Sie jetzt allein sein sollten.«
    »Es wird schon gehen.«
    »Das sehe ich anders.«
    »Ich komm schon klar.«
    Vern schwieg, verstärkte seinen Griff und trieb mich vorwärts. Der Wind wurde immer schlimmer, schnitt in die entblößte

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