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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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für stolze 8500 Dollar. Er schrieb:
    Es ist ein wichtiges Nachschlagewerk, eines, das in keiner Bibliothek fehlen sollte.
    Ich schrieb zurück:
    Dafür kostet es auch ein kleines Vermögen. Haben wir nicht bereits eine komplette Ausgabe des Grove Dictionary auf Deiner Etage?
    Er schrieb zurück:
    Ja, wir haben einen Grove , aber der wurde seit zwanzig Jahren nicht mehr überarbeitet. Kann ich Dich Sonntag beim Brunch überzeugen, den Kauf einer neuen Ausgabe zu genehmigen?
    Ich antwortete nicht gleich, unter anderem auch, weil ich nicht wusste, ob ich wirklich noch einmal mit Vern ausgehen wollte. Hatte er zwei Wochen gebraucht, um all seinen Mut zusammenzunehmen und mich noch einmal auszuführen? Und wenn ja, warum sollte ich ihm dann Hoffnungen auf mehr als einen gelegentlichen Konzert-, Kino- oder Restaurantbesuch machen? Allein beim Gedanken an eine amouröse Verwicklung mit Vern Byrne … Nein, ich konnte mir das einfach nicht vorstellen.
    Aber das war die nervöse, defensive Jane, die da aus mir sprach. Mein anderes, vernünftigeres, an die freiwillige Einsamkeit gewöhntes Ich sagte: Ein Brunch ist doch nur ein Brunch. Du hast außerhalb der Arbeit keinerlei Kontakte. Du willst es zwar nicht anders, kannst aber unmöglich ewig so weiterleben. Warum nimmst du das Angebot, dass dir am Sonntag jemand Gesellschaft leistet, nicht einfach an?
    Also schrieb ich zurück:
    Das mit dem Sonntagsbrunch klingt gut … aber nur, wenn ich zahlen darf.
    Er schrieb zurück:
    Einverstanden, aber nur ungern. Dafür möchte ich das Lokal aussuchen. Ich hole Dich gegen zwölf ab.
    An jenem Sonntag stand ich wie immer früh auf und ging in den Zeitschriftenladen, gleich beim Café Beano um die Ecke. Dort wurde sogar die Sunday New York Times verkauft, die ich mir extra zurücklegen ließ. Ich bezahlte die Zeitung und nahm sie mit ins Beano, wo ich einen Cappuccino trank und beinahe bereute, mich auf diesen Brunch eingelassen zu haben. Denn die Vorstellung, mich außerhalb der Arbeit mit jemandem unterhalten zu müssen, machte mir Angst. Das Schlimmste war jedoch, dass Vern mir vor ein paar Wochen seine gesamte Lebensgeschichte erzählt hatte. Jetzt war er sicher neugierig auf meine. Aber ich hatte nicht vor, sie mit irgendjemandem zu teilen. Was war nur in mich gefahren, mit diesem Kerl essen zu gehen? Das war ein Fehler, ein dummer Fehler. Und wenn man in der Arbeit davon erfuhr …
    Ich sah auf die Uhr. Es war halb zwölf. Mit etwas Glück erwischte ich ihn noch zu Hause und konnte absagen. Ich griff nach meiner Zeitung, verließ das Café und war in drei Minuten wieder in meiner Wohnung. Doch als ich über die Schwelle trat, fiel mir etwas ein: Du hast seine Nummer nicht. Ich griff nach meinem Handy und wählte die Auskunft. »Haben Sie die Nummer eines V. Byrne, 29. Straße NW in Calgary? … Ja, es ist eine Privatadresse. Ja, danke, Sie dürfen mich gleich weiterverbinden …«
    Dann klingelte es und klingelte. Niemand ging dran, auch kein Anrufbeantworter. Ich fing an, nervös in meiner Wohnung auf und ab zu laufen. Ich bekam es mit der Angst zu tun und sagte mir gleichzeitig, dass ich überreagierte. Aber so ist das mit der Schwermut: Da hat man das Bedürfnis, sich mitten auf den Bürgersteig zu setzen, in einer Bar auszurasten, keinerlei Sozialkontakte zu pflegen und sich einzureden, dass fünfundsiebzig Minuten überirdisch schöner Bach-Musik genügen, eine plötzliche Linderung herbeizuführen …
    Ich schlüpfte aus meinen Joggingklamotten und sprang unter die Dusche. Ich trocknete mich ab, zog mir etwas an, fuhr mir mit einer Bürste durchs Haar und zog Stiefel und Parka an. Es klingelte. Ich griff nach meinem Geldbeutel und nach meinen Schlüsseln und ging nach unten.
    Vern stand neben seinem alten Corolla und grinste angestrengt. Er trug seine Wochenendkluft: graue Flanellhosen, das übliche karierte Hemd, einen grünen Pulli mit Rundhalsausschnitt, einen dieser altmodischen braunen Kurzmäntel und braune Stiefel. Er nickte schüchtern und hielt mir die Wagentür auf.
    Der Motor lief, und die Heizung war voll aufgedreht, da wir minus fünfzehn Grad hatten, und das Mitte März!
    »Hier hört der Winter wohl nie auf?«, sagte ich.
    »Doch«, sagte er. »Im Juni.«
    Wir fuhren los.
    »Wo essen wir?«
    »Das wirst du gleich sehen.«
    »Das klingt geheimnisvoll.«
    »Es ist ein kleines Stückchen Fahrt … aber ich glaube, es wird dir gefallen.«
    Wir fuhren die 17th Avenue hinunter, bogen nach rechts auf die Neun ab

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