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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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kleinen Ort in Kanada, und dort ließ man sämtliche Türen offen. Mir fiel auf, dass der Kofferraum nicht durch ein Gitter oder Ähnliches vom Fahrersitz getrennt war. Es war lediglich eine Stoffabdeckung über den Ladebereich gezogen. Plötzlich kam mir eine waghalsige Idee. Wenn ich dort hineinkroch … Ohne weiter darüber nachzudenken, beschloss ich, die Idee in die Tat umzusetzen.
    Zunächst kehrte ich aber zu meinem Mietwagen zurück. Ich wollte ihn am Rand des Parkplatzes abstellen, machte mir aber klar, dass das keine gute Idee war. Wenn sich der Parkplatz nach dem Montagswunder-Event leeren würde, bliebe mein Mietwagen übrig. Coursen oder seine Mitarbeiter würden sich wundern, warum dieser Wagen noch dastand. Und wenn man erst den Aufkleber der Autovermietung bemerkte …
    Mietwagen lassen sich leicht zurückverfolgen – und schon würde der hiesige Sheriff nach mir fahnden.
    Also lenkte ich den Wagen vom Parkplatz herunter und fuhr die Hauptstraße entlang. An ihrem Ende befand sich ein mittelgroßer Supermarkt. Er hatte bis 22 Uhr geöffnet. Ich verließ mich darauf, dass die Polizei diesen Parkplatz erst viele Stunden später unter die Lupe nehmen würde, und ließ den Wagen dort fernab der Straße stehen. Ich sah auf die Uhr. Es war Viertel vor acht. Der Gottesdienst dauerte mindestens noch eine Stunde – und ich würde eine gute Viertelstunde brauchen, um zu der Kirche zurückzulaufen. Es war kalt – minus zwölf Grad, wenn die LED -Anzeige stimmte. Ich setzte eine Wollmütze auf und lief mit gesenktem Kopf zurück zur Pfingstgemeinde. Aber die Straßen von Townsend waren leer, sodass ich niemandem begegnete. Als ich die Kirche erreichte, sah ich erneut auf die Uhr. 20:04. Aus der Kirche ertönte die mikrofonverstärkte Stimme Larry Coursens: »Wir wissen, dass du da bist, Jesus! Wir wissen, dass du genau in dieser Kirche bist und uns erfüllst mit deiner Liebe!«
    Das letzte Wort wurde in einem gedehnten Heulton ausgesprochen, gefolgt vom Geschrei und Gejubel der Gemeinde. Ich sah mich auf dem Parkplatz um. Weit und breit war niemand zu sehen. Im Schutz solch lautstarker Glaubensbekenntnisse lief ich rasch zu Coursens Wagen. Ich öffnete den Kofferraum und griff nach den Decken darin. Sie rochen alt und muffig und fühlten sich kalt an. Ich ließ mich unter die Abdeckung gleiten und zog so lange an der Tür, bis sie ins Schloss fiel. Ich befand mich im Dunkeln. Ich musste lange herumprobieren, bis ich eine Embryohaltung fand, die einigermaßen bequem war. Anschließend griff ich in meine Jackentasche und stellte mein Handy aus. Ich sah erneut auf die Uhr: 20:12. Es war nicht nur dunkel, sondern auch kalt. Ich zog meine Handschuhe an und zog den Reißverschluss meiner Jacke bis oben hin zu. Ich deckte mich mit den dünnen, stinkenden Decken zu und wartete.
    Eine Stunde verging, in der ich mich häufig bei dem Gedanken ertappte: Was ist nur in dich gefahren, so etwas Abartiges zu tun? In dieser ersten Stunde war ich mindestens zweimal versucht, die Abdeckung zurückzuschieben, über den Rücksitz zur Seitentür zu klettern und in der Nacht zu verschwinden. Aber genau in dem Moment, als mich Kälte, Dunkelheit und Angst zu überwältigen drohten, hörte ich Stimmen und Motorengeräusche. Zu spät, zu spät. Jetzt sitzt du in der Falle.
    Ich sah erneut auf die Uhr: 21:14. Aber der Preacher Man war nirgendwo in Sicht. Ein Auto nach dem anderen verließ den Parkplatz. Um 21:43 hörte ich schließlich Schritte, gefolgt von Stimmen.
    »Es ist nun mal so, Carl«, sagte Larry Coursen. »Wenn Brenda mich Tag und Nacht anruft, wird man bald zwei und zwei zusammenzählen. Ich meine, jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, macht mir Bonnie die Hölle heiß und sagt, dass sie mich auffliegen lässt, bla, bla, bla. Die Erklärung, dass Brenda in ihrem Leid meine Hilfe braucht, wird sie mir nicht ewig abkaufen. Du musst also noch mal mit Brenda sprechen. Mach ihr klar, dass Schweigen Gold ist. Und dass sie sich lieber nicht mit mir anlegen soll. Sag ihr, dass ich zurückkomme, sobald sich die Lage hier wieder etwas beruhigt hat. Alles klar, Mann?«
    »Alles klar, Kumpel«, sagte die andere Stimme.
    »Und wenn im nächsten Monat all das vorbei ist, können wir überlegen, ob dir die Gemeinde den GMC Acadia spendiert, den du dir so wünschst – selbstverständlich nur für seelsorgerische Zwecke.«
    »Selbstverständlich.«
    Beide lachten.
    Himmelherrgott, Coursen hatte was mit Brenda! Aber im Grunde wunderte mich

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