Aus der Welt
Website von der Pfingstgemeinde in Townsend: im Juni 2004.
Coursen verließ die Pfingstgemeinde von Dundas also kurz nachdem Kelly Franklin vermisst wurde … oder vielleicht kurz nachdem sie lebend wieder auftauchte. Der Fall war von einer Mauer aus Schweigen umgeben, während Coursen zufälligerweise ins hinterste Provinzkaff von Alberta versetzt wurde.
Ich suchte bei der Telefonauskunft nach einem M. Franklin in Hamilton, Ontario. Es gab drei. Ich schrieb mir ihre Nummern auf, zog mein Handy hervor und begann mit meinen Anrufen.
»Ist da Kellys Mom?«, fragte ich beim ersten Versuch.
»Sie müssen sich verwählt haben«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung.
Aber mit der zweiten Nummer zog ich das große Los.
»Ist da Kellys Mom?«, fragte ich.
»Wer spricht da?«
Die Stimme war laut und heiser.
»Ich heiße Nancy Lloyd. Ich bin Journalistin bei der Vancouver Sun .«
»Ich spreche nicht mit Reportern. Das Ganze ist Jahre her.«
»Ich weiß – und es tut mir auch aufrichtig leid, Sie zu Hause zu stören. Aber Sie haben bestimmt von dem Verschwinden von Ivy MacIntyre gehört …«
»Auch dazu habe ich nichts zu sagen.«
»Ich verstehe. Soweit ich weiß, waren Sie und Ihre Familie allerdings mal Mitglied der Pfingstgemeinde von Dundas. Wussten Sie, dass Ivy MacIntyres Familie Mitglied der Pfingstgemeinde von Alberta war und dass Ihr früherer Pastor – Larry Coursen – jetzt dort Pastor ist?«
»Ich möchte nicht über ihn sprechen«, sagte sie plötzlich wütend.
»Warum nicht?«
»Weil wir das so vereinbart haben.«
»Was vereinbart?«
»Jetzt habe ich schon zu viel gesagt.«
»Hat irgendjemand – oder irgendeine Organisation – mit Ihnen vereinbart, dass Sie sich nicht zu Larry Coursen äußern dürfen?«
»Ich werde keine Ihrer Fragen beantworten.«
»Wie viel hat man Ihnen für Ihr Schweigen gezahlt?«
»Das geht nur mich etwas an«, sagte sie. Danach war die Leitung tot.
Ich saß da und rang nach Luft. Coursen hatte Kelly Franklin entführt. Dann hatte er sie entweder gehen lassen, oder sie hatte sich aus seinen Fängen befreit. Und dann? Ist sie durch das, was er ihr während dieser zehn Tage angetan hat, so traumatisiert, dass sie ihn nicht identifizieren kann? Oder identifiziert sie ihn, aber er hat ein wasserdichtes Alibi? Doch was, wenn sie sich nach ihrer Rückkehr so in sich selbst zurückgezogen hat, dass man sie einweisen lassen muss und sie ihren Entführer nicht identifizieren kann? Nein, sie muss mit dem Finger auf Coursen gezeigt haben. Vielleicht haben ihre Eltern dann als Erstes die Oberen der Pfingstgemeinde angerufen. Und die haben schnell dafür gesorgt, dass es keinen Skandal gab und dass das Gesicht ihres Pastors nicht jede Titelseite zierte.
Lebte Kelly Franklin nach all den Jahren eigentlich immer noch in einer psychiatrischen Einrichtung?
Nach kurzem Googeln stieß ich auf folgenden Artikel im Hamilton Daily Record : »Entführtes Mädchen gerät erneut in Konflikt mit dem Gesetz.«
Er stammte vom 23. September 2007 und berichtete, dass Kelly Franklin, »das Mädchen, das vor drei Jahren auf mysteriöse Weise entführt wurde«, in einem Woolworth-Kaufhaus wegen Klebstoffschnüffelns festgenommen worden sei. Man erfuhr, dass die vierzehnjährige Franklin bereits ein Vorstrafenregister wegen Ladendiebstahls, tätlichen Angriffs auf eine Polizistin und Landstreicherei hatte. Als sie den Woolworth in Hamilton betrat, suchte sie den Gang mit Epoxydharzklebern. Dann goss sie den Inhalt von vier Tuben in eine Plastiktüte, zog sich diese über den Mund und inhalierte tief. Das tat sie mehrere Minuten, bis sie von Mitarbeitern entdeckt wurde. Da war sie schon im Delirium und redete wirres Zeug. Man rief die Polizei, aber ihr wurde so schlecht, dass sie an ihrem eigenen Erbrochenen zu ersticken drohte, was man durch Erste-Hilfe-Maßnahmen jedoch abwenden konnte. Schließlich wurde sie mit Blaulicht ins örtliche Krankenhaus gebracht, wo sich ihr Zustand wieder stabilisierte.
Ein weiterer Artikel, der sechs Wochen später erschienen war, berichtete von einer Anhörung, nach der man Kelly Franklin in eine Besserungsanstalt für Jugendliche einwies, »und zwar so lange, bis feststeht, dass sie keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit oder sich selbst darstellt«.
Danach gab es keine weiteren Berichte über sie. Wahrscheinlich saß sie immer noch dort ein.
Coursen, du Arschloch! Du zerstörst das Leben eines Mädchens und bringst deine Kirche dazu, seiner
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