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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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auf ein heimliches Lächeln, das jedoch gefror, bevor es irgendjemand mitbekam. Aber ich hatte es mitbekommen. Ich spielte die ganze Szene noch einmal ab. Lachte uns der Mistkerl aus? Lachte er, weil er etwas wusste?
    Ich spielte die Episode noch weitere vier Mal ab.
    »… glauben Sie, dass MacIntyre einen Hinweis hinterlassen hat, der zu ihrer Leiche führen könnte?«, fragte der Journalist.
    Und da war es wieder, jenes unfreiwillige, winzige, höchstens eine Achtelsekunde dauernde Lächeln auf Coursens Gesicht. Gefolgt von seiner Antwort:
    »Mit Sicherheit nicht.«
    Woher nehmen Sie diese Sicherheit, Mister? Was gibt Ihnen das Recht, eine so unhaltbare Aussage zu machen? Warum sagen Sie, es sei eine ausgemachte Tatsache , dass MacIntyre keinen Hinweis auf den Leichenfundort hinterlassen hat? Weil es MacIntyre gar nicht war? Und weil Sie wissen, wer es war?
    Das Interview war zu Ende. Wir befanden uns wieder im CBC -Studio. Es folgten weitere Nachrichten. Der Sprecher verlas sie mit monotoner Stimme: »Ein schrecklicher Autounfall östlich von Dundas bei Hamilton kostete heute eine sechsköpfige Familie das Leben …«
    Östlich von Dundas bei Hamilton.
    Warum löste die Erwähnung dieser beiden Ortsnamen ein solches Déjà-vu-Erlebnis bei mir aus?
    Dundas … Hamilton … Dundas … Hamilton …
    Ich hab’s!
    Ich öffnete die Mappe und sah mir erneut die Aufzeichnungen zu meinem Interview mit Coursen an. Als er mich gefragt hatte, woher ich stamme, hatte ich gesagt: »Aus Dundas«, weil mir der Name einfach so eingefallen war. Und wie hatte seine Antwort gelautet?
    »Dundas! Das ist ja unglaublich. Ich habe ganz am Anfang meiner Laufbahn als Pastor in Dundas gearbeitet! Kennen Sie die Pfingstgemeinde an der King, Ecke Sydenham Street?«
    Damit hatte er mich natürlich enttarnt. Aber …
    Die Pfingstgemeinde in Dundas…
    Dundas liegt bei Hamilton. Und meine dicke Mappe enthielt … einen Ausschnitt aus dem Hamilton Daily Record über das Verschwinden einer Elfjährigen vor vier Jahren. Wie ich jetzt erst sah, hieß sie Kelly Franklin. Der Hamilton Daily Record berichtete von »polizeilichen Ermittlungen« nach ihrem Verschwinden und erwähnte dann in einem späteren Artikel, ein »Vertrauter der Familie« sei von einem lokalen Polizeibeamten verhört worden. Es sei allerdings keine Anzeige gegen ihn erstattet worden.
    Auch dieses Mädchen befinde sich mittlerweile wegen posttraumatischer Belastungsstörungen in einer psychiatrischen Einrichtung.
    Kelly Franklin. Kelly Franklin. Ich googelte ihren Namen. Es gab etwa zwei Dutzend Einträge über ihr Verschwinden und ihre mysteriöse Rückkehr. Es war von Polizeiermittlungen die Rede. Davon, dass der Verdacht auf einen Bekannten der Familie gefallen sei. Und dann entdeckte ich Folgendes in einem späteren Artikel des Toronto Star , den ich damals aus Bequemlichkeit nicht gelesen hatte:
    »Kellys Eltern, Michelle und Morgan Franklin, sind gläubige Christen. In den zehn Tagen, in denen Kelly vermisst wurde, hat ihnen ihr Glaube sehr geholfen. Die ehemaligen Mitglieder der Pfingstgemeinde von Dundas sind mittlerweile Anhänger der Apostolischen Kirche in Hamilton.«
    Die Pfingstgemeinde in Dundas. Was für ein Zufall! Und warum verließen sie ihre Gemeinde?
    Der Artikel ging weiter wie folgt:
    »Nach Kellys Rückkehr haben die Franklins und die Polizei kaum etwas über den angeblichen Entführer verlauten lassen. Obwohl in Dundas und Hamilton ein bestimmter Name gemunkelt wurde, gibt es auch Stimmen, die sagen, dass Kelly von dem Vorfall derart traumatisiert war, dass sie ihren Entführer nicht identifizieren konnte. Und/oder dass den Franklins ein beträchtliches Schweigegeld gezahlt wurde.«
    Aber wer würde ihnen eine so hohe Summe zahlen? Welche Organisation würde sich auf so etwas einlassen, nur um nicht in der Presse zu landen – und schon gar nicht im Zusammenhang mit der Entführung eines Kindes?
    Ich googelte die Pfingstgemeinde von Dundas. Ihre Website baute sich langsam vor mir auf – lauter strahlende Gesichter und Lobeshymnen. Ich fand den Link zur »Geschichte der Pfingstgemeinde von Dundas«. In der Liste mit den ehemaligen Pastoren stand auch der Reverend Larry Coursen mitsamt den Daten seiner Amtszeit: Dezember 2002 bis Mai 2004. Keine sehr lange Amtszeit. Wann wurde Kelly Franklin vermisst? Am 2. April 2004. Und wann wurde Larry Coursen nach Townsend versetzt? Ich suchte in meiner Mappe und entdeckte diese Information in einem Ausdruck der

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