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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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gebeten.
    »Behalte hier alles im Auge«, befahl sie mir.
    Diese Anweisung machte mir eine Heidenangst, aber ich klebte vor den flimmernden Zahlen am Bildschirm und versuchte, mich inmitten dieses Bombardements von Statistiken zu orientieren. Buchstäblich eine halbe Minute nachdem sie weg war, lief beim Sender MSNBC folgende Meldung durchs Bild:
    SCHWEIZER GENFEN-GRUPPE VOR ÜBERNAHME EINER BETEILIGUNG VON 7 MILLIARDEN AN NIPPON TECH
    In meinem Kopf schrillte eine Alarmsirene los. Trish hatte am Morgen erwähnt, dass sich Brad in Verhandlungen mit einem Finanzkonsortium aus Mumbai befände. Dieses wolle eine Kapitalmehrheit an Nippon Tech – einem der führenden Hersteller Japans für optische Fasern – erwerben, und Brad warte nur darauf, dass eine andere Finanzgruppe Nippon angriffe, um einen großen Deal an Land zu ziehen. »Wir wollen, dass die japanischen Arschlöcher Curry scheißen«, lauteten ihre drastischen Worte, als sie mir die Informationen in einer Sprechsalve an den Kopf warf. Dann griff sie zum Telefon und begann einen Währungshändler zu beschimpfen, der sie bei einem Deal mit australischen Dollars enttäuscht hatte.
    Und jetzt, drei Stunden später, lief eine Meldung bei MSNBC unten durchs Bild, dass Nippon Tech von …
    Ich griff zum Telefon und wählte Trishs Handynummer.
    Sie ging beim ersten Klingeln dran.
    »Was ist?«, bellte sie
    »Nippon Tech«, sagte ich.
    »Was ist mit denen?«
    »Irgendeine Schweizer Finanzgruppe macht sich an die ran.«
    »Erfindest du das?«
    »Es kam im Fernsehen.«
    »Verdammte Scheiße«, sagte sie und legte auf.
    Was als Nächstes passierte, war wirklich showreif: Trish kam zu ihrem Computer zurückgerannt und schrie allen, die ihr in die Quere kamen, entgegen: »Die Japsen scheißen Schweizer Käse.«
    Jeder auf der Etage schien die Bedeutung ihrer Worte zu begreifen, denn alle griffen zum Telefon und dealten wie wild. Kurz darauf kam Brad herein und grinste über das ganze Gesicht.
    »Wir müssen diesen Deppen bis zum Schlagen des Börsengongs an der Wall Street fertiggemacht haben«, rief er, um den Lärm zu übertönen. Dann sagte er an mich gewandt: »Gut gemacht, Jane.«
    Was da gerade vor sich ging, war eine von langer Hand vorbereitete feindliche Übernahme von Nippon Tech. Gesteuert von Freedom Mutual und finanziert von einigen sehr wohlhabenden indischen und russischen Plutokraten, wurde Nippon Tech zur Zielscheibe eines fremdfinanzierten Firmenkaufs, bei dem Genfen – das schweizer Konsortium, das das Angebot von 7 Milliarden gemacht hatte – in letzter Minute von Brad und Konsorten überboten wurde.
    »Das ist ganz hohe Schule«, brüstete er sich vor mir, während der Nachmittag verstrich. Mithilfe von verdeckten, genau geplanten Handelsmanövern schaffte es Freedom Mutual, die Genfen-Aktienkurse fallen zu lassen, sodass ihr 7-Milliarden-Angebot fraglich erschien. Im Gegenzug verschafften sie dem Mumbai-Konsortium Gelegenheit, sich die Nippon-Tech-Aktien für 7,1 Milliarden unter den Nagel zu reißen.
    Inmitten dieser Entfesselung des freien Marktes verschwand Brad für drei Stunden in seinem Büro. Als er wieder auftauchte, bat er um Schweigen. Dann sagte er leise: »Ta-ta! Der Deal hat geklappt. Freedom Mutual ist heute Nachmittag um 142 Millionen Dollar reicher geworden.«
    Alle waren total aus dem Häuschen. Innerhalb von fünf Minuten wurden von irgendwoher drei Kisten gekühlter Champagner angeliefert. Und alle schienen ihn direkt aus der Flasche zu trinken.
    »Ich verspreche dir, dich mindestens drei Tage lang nicht als Fotze zu bezeichnen«, versprach Trish, nachdem sie für zehn Minuten auf der Damentoilette verschwunden war. Bei ihrer Rückkehr sah man noch das weiße Pulver in ihren Nasenlöchern kleben.
    »Ich habe nur eine Information weitergegeben«, sagte ich.
    »Nein, du warst verdammt klug. Wenn du diese Nachricht übersehen hättest …«
    »Hätte sie jemand anders gesehen.«
    »Aber du hast sie zuerst gesehen, und darauf kommt es an.«
    Die gute Stimmung zwischen Trish und mir hielt genau zwei Tage. Als ich zehn Minuten zu spät kam – da die U-Bahn technische Probleme gehabt hatte –, drohte sie mir mit der fristlosen Kündigung, falls ich mich je wieder verspäten sollte. Ich entschuldigte mich nur und versicherte ihr, dass es nie wieder vorkommen würde. Der Rest des Tages verlief ganz normal. Der Triumph des fremdfinanzierten Firmenkaufs war schnell vergessen. Bei Freedom Mutual konnte immer noch mehr Geld verdient

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